Wüste, Meer und Reis

Wüste, Meer und Reis

Was muss, das muss

„Bitte alles ausräumen und die Rahmennummern der Bikes brauche ich“ – der Zoll nimmt es bei unserer letzten Einreise nach Chile sehr genau. Alles wird durchsucht, die Bikes bekommen einen eigenen Einfuhrzettel vom Zoll. Solch eine Prozedur haben wir auf den zig Grenzübertritten in den letzten sieben Wochen noch nicht erlebt. Was man den Damen und Herren vom Zoll aber lassen muss: Sie bleiben sehr freundlich, obwohl wir leicht genervt von dem ganzen Prozedere sind.
Auf der bolivianischen Seite des Chungara–Tambo Quemado Passes mit 4680 Metern lief der Grenzübergang weniger freundlich ab: Ein Grenzpolizist durchsuchte unser Auto und wurde richtig lästig, weil wir keinen Feuerlöscher an Bord hatten. Er wollte Geld – wäre auch zu schön gewesen, wenn wir durch Bolivien gekommen wären, ohne dass die Polizei Geld von uns möchte. Wir bleiben aber hart und haben den Feuerlöscher einfach nicht. Als Lev bereitwillig mit ins Office gehen will, lässt uns der Polizist schließlich ziehen. War wohl nix mit dem Taschengeld.

Wüste, Meer und Reis

Endlich on the Road führt die Straße vom Hochplateau an Vulkanen und Seen vorbei so langsam dem Meer entgegen. Als wir knapp 1000 Höhenmeter vom Pass hinab vernichtet haben, wird die Landschaft deutlich grüner. Ein Hochtal öffnet sich, darin liegen einige Weinberghänge und ein malerisches Dorf mitten drin. Der perfekte Platz für’s Mittagessen – um vier Uhr nachmittags. Frisch gestärkt rollen wir weiter. Die Straße schlängelt sich allmählich in eine riesige Schlucht. Die Vegetation wird mit jedem Meter weniger; wir tauchen immer tiefer in die Schlucht ein. Die goldene Abendsonne erleuchtet die Wände dieser faszinierenden Landschaft. Das einzige, was hier noch wächst, sind ein paar merkwürdige Kakteen, die eine Krone wie ein normaler Baum haben. Das Tal wird zunehmend sandiger – eine Kurve noch und wir stehen vor den perfekten Kranked-Hängen! Leider fehlt uns die Zeit, diese unter die Stollen zu nehmen und so fahren wir schweren Herzens die letzten Kilometer zum Meer hinaus.

Wüste, Meer und Reis

Der nächste Tag ist ein Orgatag: Wäsche waschen lassen, mal wieder richtig einkaufen, endlich die Salzkruste mit dem Hochdruckreiniger vom Auto waschen. Außerdem stehen wichtige Reparaturarbeiten an: Der Adapter unseres Spannungswandlers hat den Geist aufgegeben – in Chile Ersatz zu finden, ist aber unmöglich. Es bleibt nur die Bastelvariante. Wir kaufen im Baumarkt eine Aufputzsteckdose und schrauben diese gekonnt auf den Spannungswandler drauf. Funktioniert und sieht fast schön aus.
Außerdem hat scheinbar das Salz eine Spule der Lüftungsregelung gekillt. Die Spule wickeln wir kurzerhand von Hand neu – mit einem Stück Draht, das wir auf der Straße gefunden haben. German Engineering in Perfektion und natürlich mit Funktion! Zum Glück ist der TÜV nicht da.

Abends gibt’s das wohl verdiente Feierabendbier am Meer. Es rollt eine nette Brandung herein und in dieser Brandung spielen (von uns) sogenannte Brandungsvögel. Diese fliegen in kleinen Gruppen von drei bis etwa zehn Tieren in einer Schlange hintereinander her. Sie stürzen sich vor die brechenden Wellen und “surfen“ fliegenderweise eine ganze Welle ab. Nach etwa 200 Metern fliegen sie auf etwa 10 Meter hoch, holen Schwung und stürzen sich in die nächste Welle. Das sieht so richtig nach Spaß aus!

Wüste, Meer und Reis

Wieso ist hier eigentlich Reis?

Der nächste Tag – das nächste Land: Wir erreichen die Grenze von Chile nach Peru. Alles sehr modern gebaut, aber denkbar unübersichtlich und mit viel Rennerei verbunden. Von einem Gebäude ins Andere, wieder zurück, wieder in ein anderes Gebäude, um Stempel, Formulare und Genehmigungen zusammen zu bekommen. Das Formular für unser Auto gibt’s nur an der Kasse im Restaurant – also dort noch hin und wieder zurück. Und warum eigentlich im Restaurant?!?

Eine wunderschöne Küstenstraße führt uns ganz langsam zum nächsten Ziel: die Großstadt Arequipa. Steilküstenabschnitte wechseln mit weitläufigen Sandstränden – direkt hinter der Küste ist Wüste. Hier wächst einfach nix, Regen gibt es wohl nur alle paar Jahre mal. Aber hinter der nächsten Kuppe ist plötzlich alles grün. Es dauert einen Moment bis wir das realisieren, doch dann drängt sich eine Frage mehr als alles andere auf: Wieso ist hier eigentlich Reis?
Mitten in der Wüste sieht man hier kilometerweit nur Reisplantagen. Allmählich wird uns klar, wie das funktioniert: Wir sind in einem großen Flussdelta, der Fluss wurde einfach aufgestaut und umgeleitet. Ein paar Meter weiter finden wir dann auch Bananen, Mais, Äpfel und vieles mehr. Eine üppig grüne Oase mitten in der Wüste! Schnell zeigt sich aber auch die Kehrseite: an allen Ecken und Enden sehen wir Leute Gift spritzen. Da es hier praktisch nie regnet, bleibt dieses Gift auf dem Obst und Gemüse drauf und landet wohl fast 1 zu 1 auf unseren Tellern. Lecker! Da weiß man wieder, warum man Bio kauft!

Wüste, Meer und Reis

Schön ist diese grüne Oase aber trotz allem. Deshalb suchen wir uns einen Standplatz an der Küste. Es wimmelt von Möven – diese machen einen Wettlauf mit den Wellen: Direkt nach dem Rückzug einer Welle rennen sie hinterher, um Futter zu suchen. Kommt die nächste Welle, so sprintet die ganze Schar wieder zurück.
Zum Sonnenuntergang gibt’s noch nen Kaffee und dann nimmt das Unheil seinen Lauf: Plötzlich fallen Horden von Steckmücken über uns her. Im Sekundentakt kann man die Viecher an Armen, Beinen und sonst überall abklatschen – teils sogar zwei bis drei mit einem Schlag. Es gibt keine ruhige Sekunde mehr; da hilft nur die Flucht. Raus aus der grünen Oase, ab in die Wüste. Während Lev fährt, gehe ich auf Mückenjagd im Auto und erwische noch 26 Mücken, ehe Ruhe einkehrt.

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Kein Geländewagen

Arequipa – die weiße Stadt … Vor ihren Toren scheinen auch hier die Berge genug Wasser abzugeben. Immer wieder gibt es grüne Flecken mitten in der Wüste. Felder, Plantagen, aufgegebene Anlagen. Und dann die Stadt mit reichlich Verkehrschaos. Zwischen den Häuserzeilen blitzt immer wieder unser Ziel hervor: Der Vulkan Chachani, welcher mit seinen 6075 Metern die Stadt um fast 4000 Meter überragt. Wir gehen schnell einkaufen und dann ab zum Berg!

Wüste, Meer und Reis

Die Straße zum Berg verdient eigentlich kaum den Namen Straße. Sie ist zwar zunächst geteert, aber der Teer ist so grob, dass er eher einem Kopfsteinpflaster gleicht. Und überhaupt sind hier fast mehr Löcher drin, als dass es ganze Stellen gibt. Die üppige Steppenvegetation macht hier mächtig Landgewinn. Wenn wir nicht gerade Sträuchern ausweichen müssen, die hier mitten auf der Straße wachsen, so müssen wir den unzähligen Müllkippen ausweichen. Hier liegt echt alles: Kühlschränke, Haushaltsmüll, Fernseher, tote Hunde. Irgendwann hört der Teer auf und wir befinden uns auf einem groben Feldweg, der sich gemächlich die Vulkanhänge hoch schlängelt. Immer wieder ist der Weg abgerutscht – unsere Zweifel, ob wir hier überhaupt bis zur finalen Vulkanzufahrt kommen, steigen ins Unendliche.
Doch unser Hardcoregeländetransit meistert gepaart mit unserem Fahrkönnen jede noch so krasse Stelle. Der Unterboden meldet sich allerdings schon ab und an zu Wort. Plötzlich eine Kreuzung und der Straßenzustand ändert sich zur guten Dirtroad – komisch. In einer unserer Karten entdecken wir schließlich, dass es noch eine andere Zufahrt gibt; diese macht aber einen 80 Kilometer Umweg um den gesamten Berg herum. Egal, jetzt sind wir hier und stehen auch schon an der Kreuzung zur finalen Bergzufahrt bis auf 5000 Meter. Diese besteht einfach nur aus zwei tief eingegrabenen Reifenspuren der Jeeps, die hier wohl ab und an Bergsteiger hoch bringen. Das wird spannend mit unserem Transit. Zunächst klappt alles wunderbar, doch dann taucht die erste Rampe auf. Jetzt heißt es Vollgas im Ersten, damit das Drehmoment erhalten bleibt. Sonst bleiben wir einfach im Hang stehen, weil die Motorleistung nicht mehr reicht. Die halsbrecherische Aktion klappt, wir sind auf dem nächsten Plateau – der nächste Steilhang schon in Sicht. Gleiches Spiel, weniger Glück: Etwa 20 Meter vor der Ausfahrt des Steilhanges werden wir zu langsam, die Motorleistung ist weg. Verdammt! Rückwärts zurück auf ’s Plateau, ein paar Steine aus dem Weg räumen, neuer Versuch. Es sieht besser aus, doch der Weg ist einfach zu steil. Wir kommen ganze zwei Meter weiter, als beim ersten Versuch. Was nun?
Von hier aus die Tour starten ist nicht machbar, es sind noch über 16 Kilometer und 600 Höhenmeter bis zum eigentlichen Startpunkt. Bestenfalls ginge das als Zweitagestour, aber dafür haben wir nicht eingekauft und außerdem haben wir nur einen Tag, denn tags darauf müssen wir unsere Teamverstärkung vom Flugplatz abholen.

Also Planänderung, wir fahren die gute Straße runter, organisieren uns einen Fahrer mit Geländewagen, holen Liza vom Flugplatz ab und fahren zunächst zum Colcacanyon, eher der Chachani schließlich mein Abschlussprojekt werden wird.

Wüste, Meer und Reis

Nicht von dieser Welt

Nicht von dieser Welt

Salzsurrealismus

Wir haben überlebt, das Auto ist nicht abgesoffen. Die Salzkruste auf dem Salar de Uyuni hat über Nacht gehalten – unser Ford Transit steht mutterseelenallein auf der Salzbank, wir stehen daneben und bewundern den traumhaften Sonnenaufgang. Bewundern tun wir auch die etwa 20 Zentimeter großen, tiefblauen Löcher in der Salzkruste, die so tief sind, dass man keinen Boden sieht. Wäre ungünstig, wenn man solch ein Loch beim Fahren treffen würde. Unsere nächtliche Irrfahrt am gestrigen Abend war wohl doch eine heiße Nummer! So heiß, dass wir uns gegen die direkte Route über den See zum Vulkan Tunupa entscheiden. Stattdessen wählen wir die Touristenroute über die Insel Incahuasi – falls uns unterwegs auf dem See etwas passieren sollte, so kommt wenigstens jemand vorbei, der uns helfen kann.

Nach etwa fünf Kilometern Fahrt erreichen wir ein Hotel, das direkt auf dem Salzsee gebaut ist – und das komplett aus Salz! Hier wimmelt es bereits von Touristen. Mitten im Gewusel treffen wir auf ein deutsches Pärchen und wenig später auf einen Kanadier. Sie alle sind auch mit eigenem Auto auf längerer Reise unterwegs. Man kommt ins Gespräch, trinkt zusammen Kaffee und quatscht sich fest.

Nicht von dieser Welt
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Nicht von dieser Welt
Nicht von dieser Welt

Viele Worte später ist es 11 Uhr und wir treten unsere Fahrt in Richtung Insel an – 73 Kilometer über den See. Bereits nach wenigen Metern sind wir komplett allein. Die Spuren der Autos verlieren sich im etwa drei Zentimeter tiefen Wasser. Wir sind wieder auf uns gestellt in dieser unwirklichen Landschaft. Wasser, wohin das Auge reicht. Am Horizont verschmelzen See und Himmel zu einer undefinierbaren, weißen Einheit. Und wir fahren mit dem Auto mittendurch. Völlig verrückt und fast schon unglaublich, würden wir nicht mitten drin stecken. Im GPS sind die Koordinaten der Insel eingespeichert – ohne wären wir hilflos in dieser lebensfeindlichen Landschaft verloren. 40 Kilometer Fahrt braucht es, bis die Insel allmählich am Horizont sichtbar wird. Als wir schließlich ankommen entdecken wir ein kleines Restaurant. Ein Mann kommt uns entgegen und fragt uns ganz verwundert, wie wir denn hier her gekommen seien. Mit dem Auto natürlich! Das Restaurant ist leider geschlossen und hat täglich nur bis 10 Uhr morgens geöffnet. Bis dahin kommt die Touristenkolonne mit den Jeeps vorbei – danach ist hier tote Hose. Nach solch einer Abfuhr müssen wir den Herd wohl selbst anwerfen.

Nicht von dieser Welt

Frisch gestärkt legen wir mit unserem Auto von der Insel ab und schippern in Richtung Vulkan Tunupa. Das sind zwar nur noch 37 Kilometer, aber diese stehen komplett unter Wasser. Die Salzkruste im drei Zentimeter tiefen Wasser besteht aus wunderschönen Würfelkristallen in allen möglichen Formen. Manche von ihnen sehen aus, als wären sie Bestandteil einer Buchstabensuppe. Wir fahren mit dem Auto über Kristalle durch einen See, dessen Ufer mit dem Himmel verschmelzen und jegliche Orientierung ausschalten – hier kassiert Mutter Natur definitiv die vollen 100 Stylepunkte. Man kann sich schier nicht sattsehen an dieser Landschaft.

Etwa ein Kilometer vor der Seeausfahrt scheint die Motorleistung im dritten Gang plötzlich nach zu lassen. Was ist jetzt los? Hat sich zu viel Salz im Motor abgelagert? Zweiter Gang, jetzt geht es wieder – aber etwa 100 Meter vor der Ausfahrt verlässt uns auch der zweite Gang. Wenigstens realisieren wir jetzt, was das Problem ist: die Salzkruste wird zunehmend weicher und unser Auto sinkt ein. Zudem wird das Wasser immer tiefer. Erster Gang, Vollgas, die Stoßstange schiebt schon eine Welle vor sich her – mit dem allerletzten Schwung schaffen wir es gerade noch aus dem See heraus. Puh, das war knapp!

Nicht von dieser Welt
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Der Schlüssel für Berg und Mumien

Wir packen den Eiskratzer aus, um die etwa ein Millimeter dicke Salzschicht auf unserem Auto wenigstens von den Fenstern zu entfernen. Und dann ab ins nächste Dorf. Blöderweise läuft der Motor auf der nicht mal fünf Kilometer lange Strecke heiß. Ein Blick unter die Haube identifiziert das Problem umgehend: Auch der Kühlergrill hat eine ordentliche Salzschicht. Praktischerweise gibt es im Ort am Dorfplatz einen öffentlichen Wasserhahn. Einige Liter später ist der Kühler wieder sauber – wir können weiter. Praktischerweise zweigt die Auffahrt zum Vulkan direkt neben dem Wasserhahn ab. Unpraktischerweise ist die Auffahrt aber durch ein Tor versperrt. Ein Schild sagt, man solle sich an die Touristeninfo wenden, wenn man hoch möchte. Praktischerweise befindet sich die Touristeninfo genau auf der anderen Seite des Wasserhahnes. Unpraktischerweise ist diese aber geschlossen. Praktischerweise kommt aber gerade eine Frau vorbei, die wir fragen können, wer denn die Touristeninfo ist. Praktischerweise ruft sie auch gleich den Herrn Touristeninfo an und praktischerweise kommt dieser nach 10 Minuten vorbei. Unpraktischerweise erklärt uns der Herr aber, dass man zum Vulkan nur mit einem Guide hoch fahren darf und den Berg selbst darf man sowieso nur mit Guide besteigen. Wir erklären ihm, dass wir keinen Guide brauchen, da wir selbst Mountainbikeguides sind und Bergführer sowieso. Eine halbe Stunde Diskussion später dürfen wir gegen ein kleines Zwangstrinkgeld von 50 Dollar ohne Guide zum Tourenstartplatz hoch fahren und den Berg auf eigene Faust besteigen. Wir bekommen sogar den Schlüssel für eine Höhle dort oben, in der ein paar Mumien rumliegen und rumsitzen. Wir sollen aber sau gut auf den Schlüssel aufpassen, weil es der Einzige ist, den es gibt. Hm, ob wir ihm den Schlüssel nicht einfach für 50 Dollar verkaufen sollen, wenn wir wieder vom Berg kommen? Die Tür zur Höhle sollen wir morgens vor unserem Tourenstart aufsperren, damit die Touristen und Guides rein können – abends sollen wir wieder absperren.

Der Deal steht – also ab in die Auffahrt. Es braucht nicht viel Strecke, bis klar wird, dass dieser Weg nicht für einen Ford Transit angelegt wurde. Mit zunehmender Höhe nimmt auch die Steilheit zu. Wenn jetzt die Geschwindigkeit unter einen gewissen Punkt fällt, dann reicht das Drehmoment im ersten Gang nicht mehr aus, um das Auto zu bewegen. Ziemlich nah am Vollgas brettern wir durch Gräben und über Steine zwischen Tennisball- und Footballgröße – 50 Höhenmeter unter dem Parkplatz ist es dann einfach zu steil. Wir kommen nicht mehr vorwärts. Etwas frustriert bauen wir neben dem Weg die größten Auffahrkeile des Roadtrips aus Steinen. So stehen wir wenigstens gerade. Was für eine Tag! Da schmeckt das Feierabendbier besonders gut.

Nicht von dieser Welt
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Über dem weißen Meer

Goldene Sonnenstrahlen werfen lange Schatten in die faszinierende Landschaft. Wir schultern die Bikes, sperren kurz den Mumien die Höhlentüre auf und marschieren gemächlich in Richtung Gipfel. Heute sind es etwa 1400 Höhenmeter bis auf einen Nebengipfel auf 5321 Meter. Der Hauptgipfel mit 5432 Metern besteht aus fast senkrechtem Fels – da wird ’s wohl keine Bikeline geben.
Die morgendliche Landschaft und der Salzsee im Hintergrund haben etwas beruhigendes – eine tiefe Zufriedenheit und Ruhe setzt ein. Neben uns springen lustige Tiere über Felsen und Büsche. Sie sehen aus wie eine Kreuzung zwischen Kängurus, Ratten und Hasen. Immer wieder fällt unser Blick auf den vielleicht größten Spiegel der Welt – wegen der geringen Wassertiefe bilden sich praktisch keine Wellen auf dem See. Gleichzeitig beobachten wir, ob die vermutete Kolonne aus Touristenjeeps aus Richtung Insel bereits über den See gefahren kommt. Doch niemand ist in Sicht. Komisch.
Die Bikes liegen gut auf dem Buckel, die Kondi passt auch – wir machen schnell Höhe. Der Trail zieht in einen Sattel. Von hier haben wir zum ersten Mal ein Panorama von über 180 Grad auf den See. Ein perfekter Platz für die Mittagspause.

Nicht von dieser Welt
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Voller Ehrfurcht fällt unser Blick auf den weiteren Aufstieg: Auf einem Grat schlängelt sich der Trail weiter dem Gipfel entgegen, aber in was für einer Steilheit! Das wird ’ne harte Nummer. Die Pumpe läuft auf Hochtouren – die Füße laufen auf Untertouren. Aber es läuft bei uns, obwohl der Untergrund unter unseren Untertourenfüßen unheimlich unmenschlich ist: Bei fast jedem Schritt rutschen wir einen Halben zurück.
Nach gut 300 Höhenmetern ist die Plagerei auch schon vorbei. Der Grat wird flacher, die Seitenwände aber steiler, die Kante obendrauf schmaler und der Trail anspruchsvoller. Endlich mal krasses Gelände für die Abfahrt! Unser Ziel – der Nebengipfel – ist nun auch endlich in Sicht. Noch etwa 200 Höhenmeter, dann haben wir es geschafft!

Nicht von dieser Welt
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Sechs Stunden für 1400 Höhenmeter Gesamtaufstieg, das dürfte in der Höhe gar nicht so schlecht sein. Freudig fallen wir über die Gipfeljause her. Der Ausblick ist bombastisch: Wir können nun den kompletten See bis zum Horizont überblicken. Ein weißes Meer; unvorstellbar, wie solch eine riesige Fläche mit Salz aufgefüllt werden konnte. Mutter Natur findet einfach immer wieder kuriose Wege. Man kann sich kaum satt sehen an diesem Wunderwerk der Natur: ein Dreiviertel des Berges ist umgeben vom Salzsee. Wir halten mal wieder nach der Touristenjeepkolonne Ausschau – nichts zu sehen.

Ein wunderschöner, spitzer Panoramagrat, garniert mit ein paar technischen Stufen im S4-Bereich – besser kann eine Abfahrt kaum beginnen. Fast fällt es schwer, sich auf den Trail zu konzentrieren. Links lockt der Blick in den explodierten Vulkankrater, rechts der größte Salzsee der Welt. Zum Glück klappen nicht alle Technikpassagen auf Anhieb – so haben wir vor dem zweiten Versuch wieder Zeit für die Aussicht.

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Es folgt ein flowiger Abschnitt, bevor der Trail in den unteren, steilen Gratbereich kippt. Die Aussicht wechselt von schön auf angsteinflößend. Leicht nach außen hängend, nur 20 Zentimeter breit, bröselig und rechts kaum Platz für den Lenker: Der Trail verläuft über ein schmales Felsband – eine klassische „No-Fall-Zone“. Ein paar Sitzkehren tiefer wartet die nächste Herausforderung. Es geht über ein paar schräge Flesplatten. Vertraue deinen Reifen heißt es da, aber die erste Rollprobe zeigt, dass man hier eher sagen muss: Vertraue dem Fels. Denn die Platten bröseln uns fast unter dem Vorderrad weg – völlig neue Herausforderungen in unserer Bikekarriere. Ergänzt wird dieser Abschnitt mit etwa 200 Höhenmetern Spitzkehrengewedel und schon stehen wir wieder am Sattel. Mit einem Schlag wird der Trail flowig: Wir cruisen durch einen Mix aus Kakteen, Sträuchern und größeren Felsbrocken. Das Gefälle ist sanft, man muss kaum bremsen, kann die Geschwindigkeit schön halten. Aber die Sträucher sind tückisch – fährt man ein paar Zentimeter zu weit am Wegesrand, so bleiben Fuß und Pedal fast in den knüppelharten Büschen hängen.

Die letzten Trailmeter werden richtig technisch: ein paar knackige S4-Stellen aus feinsten Granitplatten sorgen noch einmal für Spannung. Und schon stehen wir mit breitem Grinsen vor der Mumienhöhle. Von drinnen grinsen uns die Mumien an, aber denen schieben wir umgehend einen Riegel vor.

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Wir laden die Bikes ins Auto, rufen den Herrn Touristeninfo an und eiern den Feldweg wieder herunter. Mister Touristeninfo wartet auch schon am Tor auf uns und wir übergeben den Schlüssel zur Mumienhöhle – ohne die 50 Dollar zu kassieren. Warum denn keine Touristen über den See gefahren seien, fragen wir ihn. Das Wasser sei zu tief, da fährt niemand drüber. Na super, da hat es sich ja gelohnt, dass wir die sichere Route über den See gefahren sind, um notfalls Hilfe zu bekommen.

Feierabend für heute, wir suchen uns einen schönen Stellplatz am Seeufer, schmeißen den Gaskocher an, schauen den Lamas beim weiden zu und genießen den Sonnenuntergang am See.

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