Trailhunter in den Medien: Südamerika-Artikel in der "fahrstil"

Quer durch Südamerika - der komplette Roadtrip

Zwei Monate voll gepackt mit Erlebnissen, intensiven Momenten, Höhen und Tiefen, Biken, Auto fahren und kuriosen Dingen. Der Südamerika-Roadtrip war wahrlich ein einmaliges Erlebnis. An diesem Erlebnis lässt das Radkulturmagazin fahrstil seine Leser nun Teil haben. fahrstil hat einen mehrseitigen Bericht über unseren Roadtrip abgedruckt. Wir sind etwas stolz und freuen uns, so noch mehr Leser an unseren Erlebnissen teilhaben lassen zu können.
Es war nicht einfach, zwei Monate in zwei DIN A4 Seiten Text hinein zu stauchen. Da ist sozusagen einiges auf der Strecke geblieben. Aber Bilder sagen sowieso mehr, als 1000 Worte!


Listo el viaje!

Listo el viaje!

Es ist bereits drei Monate her, dass wir nach Deutschland zurück gekommen sind. Der Livebericht – ein Novum in der Geschichte der Trailhunter Website – ist beendet. Nun ist es an der Zeit, einen Schlussstrich unter dieses Unterfangen zu ziehen.

Hit the road - ab nach Westen
Listo el viaje!

„Ich habe fertig!“

…ist das am besten passende Zitat zum aktuellen Projektstand in deutscher Sprache. Von Giovanni Trapattoni, einem Italiener, und gute 20 Jahre alt. Und rund genauso viele Tausend Kilometer haben wir mit unserem Ford Transit von der Feuerwehr zurückgelegt. Von Montevideo in Uruguay über Argentinien, Chile, Bolivien bis nach Arequipa in Peru. Der halbe Reisepass ist voll mit südamerikanischen Stempeln aus den neun Wochen, das Roadbook hat Eselsohren und der Bus mehrere Dellen und Kratzer. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Verschleiß bleibt nicht aus und das ist auch gut so.

Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!

Wie erging es uns bei dem Trip? Nach den Startschwierigkeiten in Montevideo und der gefühlt ewigen Krankheit haben wir uns rasch an das Leben im Bus gewöhnt – auch wenn wir nicht gerade mit Luxus verwöhnt wurden. Zwei Monate zu zweit in einem Auto – kann das gut gehen? Ja, es kann! Erstaunlicherweise kam es kaum zu Meinungsverschiedenheiten und wir konnten die ein oder andere Extremsituation als gutes Team problemlos überstehen.

Wir saßen viel im Auto, das lässt sich schon von den Gesamtkilometern ableiten. Das war von Zeit zu Zeit nervig, aber dennoch die beste Möglichkeit, die Weite und gefühlte Unendlichkeit der faszinierenden Landschaft rund um die Anden zu erfahren. Es gab einige Rückschläge bei den Biketouren, doch diese konnten dafür meistens mit irrsinniger Landschaft Pluspunkte sammeln. Wir sind eben einfach verwöhnt von unseren gut erschlossenen Alpen. Die Entschädigung für gelungene Touren war dafür umso besser, wie zum Beispiel bei unserem ersten 6000er.

Interessant war auch das Erlebnis, mit wie wenig Dingen man auskommt – schon allein, weil im Bus kein Stauraum mehr frei war. Aber auch, weil man Vieles einfach nicht braucht. Darunter fällt zum Beispiel auch eine Uhr. Noch nie haben wir so das Zeitgefühl verloren, wie in Südamerika. Man steht eben auf, wenn es hell wird und geht schlafen, wenn man abends angekommen ist und müde wird. Welcher Tag gerade ist, spielt keine Rolle. Die kleinen Läden in den Ortschaften haben sowieso immer geöffnet. Und die Berge stehen auch jeden Tag da. Als wir in der Großstadt Oruro ankamen, haben wir eine Frau auf der Straße nach einem großen Supermarkt gefragt. Ihre Antwort: „Die Straße runter und dann links, aber der hat heute zu, heute ist doch Ostern“. Ach ja, Ostern – das kam uns bis dahin nicht ein einziges Mal in den Sinn. Und erst dann kam uns beiden in den Sinn, dass Flo zwei Tage zuvor Geburtstag hatte. Man kann also sagen, wir haben zeitlich völlig abgeschaltet.

Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!

Wir möchten an dieser Stelle weniger Bericht erstatten, das kann alles nachgelesen werden. Womöglich schaffen es die Bilder, unsere Eindrücke weiterzugeben. Selbst wenige Wochen nach dem Projekt entgleiten uns bereits die Erlebnisse, die wir durchgemacht haben. Und werden durch das Durchscrollen der Berichte und Fotos wieder in Erinnerung gerufen.

Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!

Eisig, steil, windig, …

Schweißgebadet stiefelten wir auf erloschenen Vulkanen über Jahrtausende alte Lavazungen, um Tage später einem Vulkanausbruch wenige Kilometer entfernt in eisiger Höhe beizuwohnen.

Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!

Wir sind mit den Bikes den Pazifikstrand entlang, durch Wüsten und tropische Wälder gefahren, haben die Bikes durch verblocktes Gelände getragen und sind über kritische Schneehänge abgefahern. Mit diversen Verkehrsmitteln und mehreren Versuchen haben wir uns einen Weg von 0m bis 6075m üNN gebahnt.

Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!

Verkehrt, karg, zugemüllt, …

In den entlegensten Ecken, in denen das Überleben nahezu unmöglich scheint, kämpfen sich Wüstenblumen aus den Dünen – gleich neben ausgebrannten und sandgestrahlten Coca-Cola Dosen. Schockierend auch, wieviel Müll und Unrat Menschen in der Lage sind, zu hinterlassen – sogar dann, wenn sie immer wieder den selben Ort aufsuchen. Wir hatten keinen Tag am Strand, an dem wir nicht durch oder um Müll herumlaufen mussten.

Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!
Listo el viaje!

Vollbeladen, festgefahren, zugestaubt, …

Der Ford Transit hat uns treue Dienste erwiesen, in dem wir uns auf waschbrettartigen Wegen durchschütteln lassen haben, über Salzseen und Pässe bis auf 5100 Meter hoch gebrettert sind. Einige 4WD Verfechter waren brüskiert – denn mit Zweiradantrieb, etwas Bodenfreiheit und Geschick kommt man auch recht weit. Der Eiskratzer kam zum Einsatz: Um die Windschutzscheibe von Salz zu befreien. Hier und da mussten wir Hand anlegen und die ein oder andere Reparatur angehen, um weiter zu kommen. Und genau das macht ein gutes Abenteuer aus: Je mehr man plant, desto mehr wird schiefgehen. Um weniger umplanen zu müssen, haben wir nicht zu viel geplant. Dieser Plan ist planmäßig aufgegangen.

Listo el viaje!
Von Geysiren, Vulkanen und Salzseen
Ein Tag im Sand
Auf dem Weg im Chaos

Dieser Roadtrip ist vorbei, der Bus ist aber noch unser. Er ist sicher geparkt und wartet. Der peruanische Zoll hat den Antrag bewilligt, den Bus länger als drei Monate im Land lassen zu dürfen. Alles eine Frage des Aufwandes, vor dem man nicht zurückschrecken darf. Doch auch hier: Ohne alte Freunde und Bekannte aus vorherigen Reisen, wäre das alles nicht so glatt gelaufen. Der Dank geht an Erika, Moises und César aus Muruhuay, die ich bei meiner ersten Reise nach Peru kennengelernt habe und die uns beim Bürokratiemarathon unter die Arme gegriffen haben. Südamerika ist groß, sehr groß und genauso schön. Ich kann von meiner Seite sagen, dass das für mich bisher der schönste Fleck Erde ist, an dem ich gewesen bin.

Listo el viaje!
Listo el viaje!

Keiner weiß genau wie, aber irgendwie müssen wir nochmal rüber. Es gibt noch viel zu entdecken. Und es ist gut, dass diesmal unser mobiles Zuhause schon vor Ort ist.

Listo el viaje!

Gracias y hasta pronto!


6000!

6000!

Der unmögliche Weg

Es ist ein Uhr nachts, der Wecker klingelt. Die drei Stunden Schlaf hätten wir uns auch sparen können, aber für’s Gewissen waren sie gut. Kurz ein Kaffee, dann warten wir auf unseren Fahrer, der pünktlich eine halbe Stunde zu spät kommt. Bikes auf den fetten Geländewagen laden und schon düsen wir durch Arequipa in Richtung Vulkan Chachani.

6000!

Nach unserem kläglichen Scheitern in der Zufahrt mit unserem Auto musste jemand mit vernünftigem Geländewagen her, der uns bis zum Tourenstart bringt. Wie es der Zufall so will, kennt Liza einen Downhiller aus Lima. Und der kennt einen peruanischen Bikeshop in Arequipa, bei dem wir uns melden sollen, wenn wir Probleme haben. Dass wir nicht zum Tourenstart kommen, ist ein Problem. Ein kurzer Besuch im „OnlyBikes“ Bikeshop bringt uns einen Guide, der mit dem Bikeshopbesitzer bekannt ist und von unserer Idee so begeistert ist, dass er uns nicht nur hochbringen will, sondern auch einfach mit zum Gipfel aufsteigen will, um das „Spektakel“ zu sehen.

Wir passieren den Stadtrand von Arequipa und fahren die kurvenreiche Passstraße hoch, die „niemals schläft“. Hier sind fast nur Bekloppte unterwegs. Reisebusse überholen LKWs in der Außenkurve, verrückte PKW-Fahrer liefern sich fast schon Rennen, es wird gehupt und gedrängelt und auch unser Fahrer ist mindestens sehr emotional mit dabei.
Der Pass ist in Nebel gehüllt, es ist stockdunkel. Unser Fahrer sucht kurioserweise nach ein paar Geländewagenspuren am Straßenrand. Das sei eine Abkürzung – nach fünf Minuten Suchen finden wir diese auch. Wir folgen einer Spur quer durch die Pampa, Orientierung gleich Null, man sieht einfach nichts. Lev schmeißt sicherheitshalber mal das Navi an. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir endlich die offizielle Dirtroad, die zum Vulkan führt. Doch was macht unser Fahrer? Er biegt in die falsche Richtung ab – wir fahren zurück! Lev und ich intervenieren. Aber er lässt sich nicht davon abbringen und ist felsenfest davon überzeugt, dass wir richtig sind. Das Navi spricht das Gegenteil – so wie die Mautstation, deren Lichter allmählich durch den Nebel leuchten. Hier zweigt die Dirtroad von der Hauptstraße ab. Und damit wurde unsere Abkürzung zur Verlängerung. Wenigstens ist jetzt auch unser Fahrer überzeugt, dass wir falsch sind.

Endlich an dem Feldweg zum Tourenstartpunkt angekommen, zeigt sich der Unterschied zwischen einem vernünftigen Geländewagen und unserem Feuerwehrauto: Der Geländewagen passiert die Stelle, an der wir vor ein paar Tagen nicht weiter kamen, ohne mit der Wimper zu zucken. Keine 200 Meter später wird der Weg so grob, dass das Auto teils in 30 Grad Schräglage über reifenhohe Steinblöcke fährt. Spätestens hier wäre mit unserem Transit definitiv Feierabend gewesen.

6000!

Schwankend und schaukelnd nähern wir uns der 5000 Meter Marke. Hinter uns färbt sich der Himmel in ein unglaublich kräftiges Orange; im Tal ziehen die Nebelschwaden über’s Land. Ein Anblick wie aus einem Märchenbuch. Es ist bitterkalt: Trotz der Trockenheit haben sich Eiskristalle am Boden und auf den dürren Sträuchern gebildet. Während der Fahrt durch den Nebel am Fuß des Berges hat sich auf unseren Bikes auf dem Autodach eine fast Zentimeter dicke Eisschicht gebildet!
Endlich – mit über einer Stunde Verspätung – sind wir am Tourenstart. Lev und ich schnappen die Bikes und ziehen los. In den letzten Wochen haben wir uns gut akklimatisiert und sind zuversichtlich, dass wir den Gipfel erreichen können. Liza und unser Fahrer bilden die Nachhut zu Fuß.

6000!

Nicht so ganz ohne, dafür mit Eis

Was soll das denn? Der Trail führt bergab und schlängelt sich dann ewig auf der Höhe dahin. Das haben wir aber nicht gebucht! Eine gute Stunde Verspätung, Zusatzhöhenmeter und Zusatzstrecke – ungünstige Kombination. Und dann noch die Höhe. Am Lincancabur haben wir für die 1300 Höhenmeter Aufstieg bis auf 5900 Meter gute neun Stunden gebraucht. Mit den Zusatzhöhenmetern vor unserer Nase werden es heute auch fast 1200 Höhenmeter. Und heute wollen wir auf 6075 Meter hoch. Wenigstens sind wir jetzt besser akklimatisiert.
Es hilft alles nix: Wir geben Gas und speeden die Querung durch. Das klappt gut – früher als wir dachten, linst das Basecamp plötzlich hinter einer Gletschermuräne vor. Ein paar Zelte stehen hier. Es muss wohl eine Expedition weiter oben sein, oder noch am Schlafen. Jetzt, nach dem Camp, führt der Weg endlich richtig aufwärts. Aufwärts geht auch unser Puls. Abwärts gehen, schnellen Schrittes, die Teilnehmer der Expedition, die uns nach etwa 300 Höhenmetern entgegenkommen. Wir ernten verwirrte Blicke und ein „Good Luck“, bis uns deren Guide anspricht: Das wäre ja sehr außergewöhnlich, was wir hier vorhaben. Aber es kann nicht klappen, weil ab 5800 Meter die Flanke komplett vereist ist. Na toll, das sind minder muntere Nachrichten. Aber man kennt es ja aus den Alpen: Wenn dir „Nicht-Biker“ erzählen, dass es da vorne nicht mehr weiter geht, dann wird’s meistens erst so richtig interessant. Also nicht verzagen – Bike weitertragen.

6000!
6000!
6000!
6000!
6000!

Leider hat der Guide Recht. Die Flanke ist gefüllt mit Schnee – und sie ist irrsinnig steil. Keine Chance, hier sicher abzufahren – falls wir überhaupt hochkommen würden. Es gibt jedoch einen Lichtblick: Der Grat in Richtung Gipfel scheint größtenteils schneefrei zu sein. Das könnte klappen und muss zumindest untersucht werden. Das Glück ist auf unserer Seite – der Schnee wurde von der Sonne aufgetaut und ist nicht mehr gefroren. Das heißt, wir haben Grip und können unseren Aufstieg fortsetzen. Die Steilheit der ganzen Geschichte hinterlässt Eindruck bei uns – die Abfahrt wird nicht ohne!
Etwa 200 Höhenmeter unter uns sehen wir Liza und unseren Fahrer. Die Beiden haben irrsinnig aufgeholt, doch jetzt scheint sich bei ihnen die fehlende Akklimatisierung bemerkbar zu machen. Sie treten den Rückzug Richtung Auto an.
Der Grat spitzt sich zu, die Fehlerintoleranz auch: Auf einer spitzen Wächte keuchen wir die letzten 100 Höhenmeter dem Gipfel entgegen. Links und rechts fallen die Schneeflanken steil ab in zwei der vielen Krater am Chachani. Ein kurzer Blick auf’s GPS zeigt: Wir haben die 6000er-Marke geknackt! Endlich klappt es, nachdem alle anderen 6000er-Projekte entweder tief verschneit waren, logistisch nicht lösbaren Aufwand erforderten – oder gar beides.

6000!
6000!

Ein paar Verschnauf-Stop-and-Gos später sind wir am Ziel: Auf 6075 Meter über Normal Null, rund 4000 Höhenmeter über Arequipa, auf unserem ersten 6000er. Unglaublich! Wer hätte gedacht, dass wir mal mit den Bikes auf einem 6000er stehen? Aber man muss es halt einfach mal machen! Erleichterung macht sich breit. Wir haben es tatsächlich geschafft – sogar in fünfeinhalb Stunden. Aber irgendwie fühlt es sich auch komisch an mit dem Wissen, dass der menschliche Körper oberhalb von etwa 5500 Metern immer weiter Energie verliert, auch beim Nichtstun. Einerseits ist es das Normalste auf der Welt – auf einen Berg steigen. Andererseits gehören wir Menschen einfach nicht hier her.

6000!
6000!
6000!
6000!

Plötzlich gehen meine Alarmglocken an. Die Wolken um den Gipfel herum sind immer dichter geworden. Seit ein paar Minuten hängen wir komplett in der Suppe. Die Temperatur liegt unter null Grad – wenn die Sonne den Schnee nicht mehr aufweichen kann, dann friert dieser möglicherweise. Das könnte unseren Abstieg ohne Steigeisen ziemlich gefährlich machen, an eine Abfahrt ist dann garnicht zu denken. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Die ersten 30 Höhenmeter fahren wir fast Schuss in den obersten Vulkankrater. Hier ist der Schnee schon eisig. Weiter geht’s auf den luftigen Grat. Die Schneewächte ist zum Glück noch nicht vereist – wir kommen gut durch. Jetzt wird der Grat ebener, aber die Ebene ist stärker geneigt. Nah an der Haftgrenze der Reifen im Schnee-Schotter-Mix zirkeln wir dem Tal entgegen. Eine Wegspur gibt’s nur sporadisch. Da ist gute Linienplanung gefragt: Die Umsetzer an der richtigen Stelle platzieren, in keine zu steilen Abschnitte fahren, die Schneedicke und Härte richtig abschätzen. Das erfordert volle Konzentration und bringt uns richtig außer Puste – technisches Biken auf 6000 Metern Höhe führt den Körper absolut an die Leistungsgrenze.

6000!
6000!
6000!
6000!
6000!

Da kommt der gut ausgetretene Trail 300 Höhenmeter tiefer sehr gelegen: Endlich kann man mehr als 100 Meter am Stück fahren, ohne außer Puste zu kommen. Vor gigantischem Vulkanpanorama zirkeln wir die Musterspitzkehren dem Basecamp entgegen. Am Nachbarvulkankomplex stößt ein aktiver Vulkan immer wieder dicke Rauchschwaden kilometerweit in den Himmel. Ein faszinierendes Schauspiel, das die Aufmerksamkeit vom Trail zieht. Die letzten Meter zum Basecamp – dort werden wir klatschend empfangen. Die Expedition vom Morgen ist weg, dafür ist eine Neue da: Zwei Deutsche und ein Bergführer. Unser Fahrer hat wohl schon etwas Werbung für uns gemacht, denn der Guide weiß sofort, wer wir sind und gratuliert uns zum Gipfelerfolg. So auch die Deutschen. Wir machen kurz Pause, tauschen ein paar Reisetipps und Bergstorys aus, ehe wir dem restlichen Trail die Stollen aufdrücken.

6000!
6000!
6000!
6000!

Jetzt wird’s richtig technisch: wir zirkeln um große Lavablöcke, durch enge Spitzkehren und über mächtige Felsplatten. Besonders fasziniert uns eine Pflanze am Wegesrand, die hier oben überleben kann: Optisch sieht sie aus wie Moos, es ist jedoch ein extrem dichter und fester Busch. Und diese Pflanze wächst pro Jahr etwa einen Millimeter. Man kann sich also vorstellen, wie alt die teils über fünf Meter breiten Gewächse sind. Vor uns liegt jetzt ein perfekter Flowtech-Pumptrack: Immer wieder geht es über große Blöcke, um enge Kehren und durch kleine Senken – fast ohne Höhenverlust. Diese Sektion gehört definitiv in meine TopTen der Flowtechtrails und zaubert ein breites Grinsen ins Gesicht – aber auch ein Kotzgefühl, denn wir sind immer noch auf 5000 Meter und die letzten Körner werden gerade verbrannt.

6000!

Und dann das dicke Ende: Der Gegenanstieg zum Auto wartet als Endgegner. Wir sehen Liza und unseren Fahrer gerade am Auto ankommen und schleppen uns gemächlich hinterher. Um etwa 18 Uhr sind wir am Auto – kurz vor einsetzen der Dämmerung. Von hier könnten wir noch 2600 Höhenmeter und über 50 Kilometer auf Trail abfahren. Aber das ist wohl unmöglich an einem Tag zu bewältigen. Blöderweise ist das auch mein letzter Tag – morgen geht’s mit dem Flugzeug zurück in die Heimat.
Am Auto treffen wir Liza und unseren Fahrer. Die beiden haben sich tapfer geschlagen, mussten aber bei 5800 Metern abbrechen. Sie sehen etwas fertig aus. Durch fehlende Akklimatisierung und ein zu schnelles Aufstiegstempo musste Liza wohl die Höhenkrankheit kennenlernen und sich sogar übergeben. Also nix wie in tiefere Gefilde!
Über die spannende Bergzufahrt rumpeln wir wieder der Stadt Arequipa entgegen und sind schließlich um kurz vor Mitternacht wieder im Tal. Ein langer, erlebnisreicher Tag. Wir haben es tatsächlich geschafft, von einem 6000er abzufahren! Prost!


Wüste, Meer und Reis

Wüste, Meer und Reis

Was muss, das muss

„Bitte alles ausräumen und die Rahmennummern der Bikes brauche ich“ – der Zoll nimmt es bei unserer letzten Einreise nach Chile sehr genau. Alles wird durchsucht, die Bikes bekommen einen eigenen Einfuhrzettel vom Zoll. Solch eine Prozedur haben wir auf den zig Grenzübertritten in den letzten sieben Wochen noch nicht erlebt. Was man den Damen und Herren vom Zoll aber lassen muss: Sie bleiben sehr freundlich, obwohl wir leicht genervt von dem ganzen Prozedere sind.
Auf der bolivianischen Seite des Chungara–Tambo Quemado Passes mit 4680 Metern lief der Grenzübergang weniger freundlich ab: Ein Grenzpolizist durchsuchte unser Auto und wurde richtig lästig, weil wir keinen Feuerlöscher an Bord hatten. Er wollte Geld – wäre auch zu schön gewesen, wenn wir durch Bolivien gekommen wären, ohne dass die Polizei Geld von uns möchte. Wir bleiben aber hart und haben den Feuerlöscher einfach nicht. Als Lev bereitwillig mit ins Office gehen will, lässt uns der Polizist schließlich ziehen. War wohl nix mit dem Taschengeld.

Wüste, Meer und Reis

Endlich on the Road führt die Straße vom Hochplateau an Vulkanen und Seen vorbei so langsam dem Meer entgegen. Als wir knapp 1000 Höhenmeter vom Pass hinab vernichtet haben, wird die Landschaft deutlich grüner. Ein Hochtal öffnet sich, darin liegen einige Weinberghänge und ein malerisches Dorf mitten drin. Der perfekte Platz für’s Mittagessen – um vier Uhr nachmittags. Frisch gestärkt rollen wir weiter. Die Straße schlängelt sich allmählich in eine riesige Schlucht. Die Vegetation wird mit jedem Meter weniger; wir tauchen immer tiefer in die Schlucht ein. Die goldene Abendsonne erleuchtet die Wände dieser faszinierenden Landschaft. Das einzige, was hier noch wächst, sind ein paar merkwürdige Kakteen, die eine Krone wie ein normaler Baum haben. Das Tal wird zunehmend sandiger – eine Kurve noch und wir stehen vor den perfekten Kranked-Hängen! Leider fehlt uns die Zeit, diese unter die Stollen zu nehmen und so fahren wir schweren Herzens die letzten Kilometer zum Meer hinaus.

Wüste, Meer und Reis

Der nächste Tag ist ein Orgatag: Wäsche waschen lassen, mal wieder richtig einkaufen, endlich die Salzkruste mit dem Hochdruckreiniger vom Auto waschen. Außerdem stehen wichtige Reparaturarbeiten an: Der Adapter unseres Spannungswandlers hat den Geist aufgegeben – in Chile Ersatz zu finden, ist aber unmöglich. Es bleibt nur die Bastelvariante. Wir kaufen im Baumarkt eine Aufputzsteckdose und schrauben diese gekonnt auf den Spannungswandler drauf. Funktioniert und sieht fast schön aus.
Außerdem hat scheinbar das Salz eine Spule der Lüftungsregelung gekillt. Die Spule wickeln wir kurzerhand von Hand neu – mit einem Stück Draht, das wir auf der Straße gefunden haben. German Engineering in Perfektion und natürlich mit Funktion! Zum Glück ist der TÜV nicht da.

Abends gibt’s das wohl verdiente Feierabendbier am Meer. Es rollt eine nette Brandung herein und in dieser Brandung spielen (von uns) sogenannte Brandungsvögel. Diese fliegen in kleinen Gruppen von drei bis etwa zehn Tieren in einer Schlange hintereinander her. Sie stürzen sich vor die brechenden Wellen und “surfen“ fliegenderweise eine ganze Welle ab. Nach etwa 200 Metern fliegen sie auf etwa 10 Meter hoch, holen Schwung und stürzen sich in die nächste Welle. Das sieht so richtig nach Spaß aus!

Wüste, Meer und Reis

Wieso ist hier eigentlich Reis?

Der nächste Tag – das nächste Land: Wir erreichen die Grenze von Chile nach Peru. Alles sehr modern gebaut, aber denkbar unübersichtlich und mit viel Rennerei verbunden. Von einem Gebäude ins Andere, wieder zurück, wieder in ein anderes Gebäude, um Stempel, Formulare und Genehmigungen zusammen zu bekommen. Das Formular für unser Auto gibt’s nur an der Kasse im Restaurant – also dort noch hin und wieder zurück. Und warum eigentlich im Restaurant?!?

Eine wunderschöne Küstenstraße führt uns ganz langsam zum nächsten Ziel: die Großstadt Arequipa. Steilküstenabschnitte wechseln mit weitläufigen Sandstränden – direkt hinter der Küste ist Wüste. Hier wächst einfach nix, Regen gibt es wohl nur alle paar Jahre mal. Aber hinter der nächsten Kuppe ist plötzlich alles grün. Es dauert einen Moment bis wir das realisieren, doch dann drängt sich eine Frage mehr als alles andere auf: Wieso ist hier eigentlich Reis?
Mitten in der Wüste sieht man hier kilometerweit nur Reisplantagen. Allmählich wird uns klar, wie das funktioniert: Wir sind in einem großen Flussdelta, der Fluss wurde einfach aufgestaut und umgeleitet. Ein paar Meter weiter finden wir dann auch Bananen, Mais, Äpfel und vieles mehr. Eine üppig grüne Oase mitten in der Wüste! Schnell zeigt sich aber auch die Kehrseite: an allen Ecken und Enden sehen wir Leute Gift spritzen. Da es hier praktisch nie regnet, bleibt dieses Gift auf dem Obst und Gemüse drauf und landet wohl fast 1 zu 1 auf unseren Tellern. Lecker! Da weiß man wieder, warum man Bio kauft!

Wüste, Meer und Reis

Schön ist diese grüne Oase aber trotz allem. Deshalb suchen wir uns einen Standplatz an der Küste. Es wimmelt von Möven – diese machen einen Wettlauf mit den Wellen: Direkt nach dem Rückzug einer Welle rennen sie hinterher, um Futter zu suchen. Kommt die nächste Welle, so sprintet die ganze Schar wieder zurück.
Zum Sonnenuntergang gibt’s noch nen Kaffee und dann nimmt das Unheil seinen Lauf: Plötzlich fallen Horden von Steckmücken über uns her. Im Sekundentakt kann man die Viecher an Armen, Beinen und sonst überall abklatschen – teils sogar zwei bis drei mit einem Schlag. Es gibt keine ruhige Sekunde mehr; da hilft nur die Flucht. Raus aus der grünen Oase, ab in die Wüste. Während Lev fährt, gehe ich auf Mückenjagd im Auto und erwische noch 26 Mücken, ehe Ruhe einkehrt.

Wüste, Meer und Reis

Kein Geländewagen

Arequipa – die weiße Stadt … Vor ihren Toren scheinen auch hier die Berge genug Wasser abzugeben. Immer wieder gibt es grüne Flecken mitten in der Wüste. Felder, Plantagen, aufgegebene Anlagen. Und dann die Stadt mit reichlich Verkehrschaos. Zwischen den Häuserzeilen blitzt immer wieder unser Ziel hervor: Der Vulkan Chachani, welcher mit seinen 6075 Metern die Stadt um fast 4000 Meter überragt. Wir gehen schnell einkaufen und dann ab zum Berg!

Wüste, Meer und Reis

Die Straße zum Berg verdient eigentlich kaum den Namen Straße. Sie ist zwar zunächst geteert, aber der Teer ist so grob, dass er eher einem Kopfsteinpflaster gleicht. Und überhaupt sind hier fast mehr Löcher drin, als dass es ganze Stellen gibt. Die üppige Steppenvegetation macht hier mächtig Landgewinn. Wenn wir nicht gerade Sträuchern ausweichen müssen, die hier mitten auf der Straße wachsen, so müssen wir den unzähligen Müllkippen ausweichen. Hier liegt echt alles: Kühlschränke, Haushaltsmüll, Fernseher, tote Hunde. Irgendwann hört der Teer auf und wir befinden uns auf einem groben Feldweg, der sich gemächlich die Vulkanhänge hoch schlängelt. Immer wieder ist der Weg abgerutscht – unsere Zweifel, ob wir hier überhaupt bis zur finalen Vulkanzufahrt kommen, steigen ins Unendliche.
Doch unser Hardcoregeländetransit meistert gepaart mit unserem Fahrkönnen jede noch so krasse Stelle. Der Unterboden meldet sich allerdings schon ab und an zu Wort. Plötzlich eine Kreuzung und der Straßenzustand ändert sich zur guten Dirtroad – komisch. In einer unserer Karten entdecken wir schließlich, dass es noch eine andere Zufahrt gibt; diese macht aber einen 80 Kilometer Umweg um den gesamten Berg herum. Egal, jetzt sind wir hier und stehen auch schon an der Kreuzung zur finalen Bergzufahrt bis auf 5000 Meter. Diese besteht einfach nur aus zwei tief eingegrabenen Reifenspuren der Jeeps, die hier wohl ab und an Bergsteiger hoch bringen. Das wird spannend mit unserem Transit. Zunächst klappt alles wunderbar, doch dann taucht die erste Rampe auf. Jetzt heißt es Vollgas im Ersten, damit das Drehmoment erhalten bleibt. Sonst bleiben wir einfach im Hang stehen, weil die Motorleistung nicht mehr reicht. Die halsbrecherische Aktion klappt, wir sind auf dem nächsten Plateau – der nächste Steilhang schon in Sicht. Gleiches Spiel, weniger Glück: Etwa 20 Meter vor der Ausfahrt des Steilhanges werden wir zu langsam, die Motorleistung ist weg. Verdammt! Rückwärts zurück auf ’s Plateau, ein paar Steine aus dem Weg räumen, neuer Versuch. Es sieht besser aus, doch der Weg ist einfach zu steil. Wir kommen ganze zwei Meter weiter, als beim ersten Versuch. Was nun?
Von hier aus die Tour starten ist nicht machbar, es sind noch über 16 Kilometer und 600 Höhenmeter bis zum eigentlichen Startpunkt. Bestenfalls ginge das als Zweitagestour, aber dafür haben wir nicht eingekauft und außerdem haben wir nur einen Tag, denn tags darauf müssen wir unsere Teamverstärkung vom Flugplatz abholen.

Also Planänderung, wir fahren die gute Straße runter, organisieren uns einen Fahrer mit Geländewagen, holen Liza vom Flugplatz ab und fahren zunächst zum Colcacanyon, eher der Chachani schließlich mein Abschlussprojekt werden wird.

Wüste, Meer und Reis

Powder, Flow und hart gekochte Eier

Vom Strand ins Land

Wir verlassen die surreale Landschaft des Salar de Uyuni und machen uns auf den Weg in Richtung Sajama Nationalpark. Da wir mittlerweile die Distanzen und Straßenzustände einschätzen können, ist es uns klar, dass wir die 600km an einem Tag unmöglich schaffen können. Unseren Zwischenstopp planen wir in der Großstadt Oruro ein. Wir müssen uns eh mal wieder mit Lebensmitteln für die kommenden Tage eindecken.

Farbenfrohe Landwirtschaft

Wir sind gut in der Zeit. Trotz Dirtroad kommen wir zügig voran. Linker Hand der Straße lenken uns mal wieder bizzare Felsformationen von der Straße ab, so entscheiden wir uns einen kleinen Umweg einzulegen und durch die Canyons und Felder zu fahren. Künstlich angelegte Wasserkanäle kreuzen immer wieder unseren Weg und wir fahren durch abwechslungsreiche Felder voll blühender Pflanzen. Von weiß über gelb, rot und lila bis hin zu schwarz: Hier scheint jeder Farbton vertreten zu sein – Quinoa! Da kommt ein Rapsfeld in Deutschland nicht dagegen an. Manche Felder blühen, andere werden gerade geerntet und die Pflanzen zum Trocknen aufgestapelt. Einmal beobachten wir auch, wie die Ernte verladen wird – und weiter geht es in Richtung Westen. Die Dirtroad spuckt uns irgendwann auf einer Hauptstraße raus, die in Richtung Oruro führt. Dort angekommen, fragen wir eine Frau auf der Straße nach einem großen Supermarkt. Sie beschreibt uns kurz den Weg und fügt hinzu: „Der hat heute aber sicher geschlossen, es ist doch Karfreitag“. Verdammt – unser Zeitgefühl hat sich ziemlich reduziert. Wir schaffen es immer wieder, die Großstädte genau dann anzusteuern, wenn Chaos herrscht. Das dauert auch hier nicht lang: Ein paar Minuten später läuft uns die riesige Osterprozession um die Ohren. Wir entscheiden uns on the road bei den Straßenhändlern zu shoppen. Kurz hinter Oruro nach einer merkwürdig aufgebauten Militärstation mit zu vielen Flutern und Soldaten fahren wir auf einen Hügel und schlagen dort unser Lager auf – die Hälfte der Strecke zum Sajama hätten wir.

Am nächsten Tag fahren wir durch einige Ortschaften durch, auch hier finden wir keinen vernünftigen Tourenproviant in Form von Riegeln oder ähnlichem – wie erwartet. Wir greifen auf alt bewährtes zurück: Brot, Käse, Eier. Auf der buckeligen Straße begegnen uns ausschließlich LKWs. Hier ist das Land dünn besiedelt. Ungewohnte Reisegeschwindigkeit von 100 km/h lässt die Reste der Salzkruste vom Salar de Uyuni abblättern. Viele Kurven und Hügel später zeigt er sich, wächst in einer Kurve zu einer übergroßen weißen Pin-Nadel heran: Der Sajama. Auf einem Hochplateau von 4200m steht der vergletscherte Vulkan mit 6542m – der höchste Berg Boliviens. Dabei erscheint er gar nicht so hoch. Wir erinnern uns bewusst daran, dass wir gerade selber auf 4400m höhe parken: Crazy Shit, der ist wirklich hoch! Die Schneehaube reicht weit herunter – weiter, als wir angenommen haben und es uns lieb ist. Die Gletschergrenze sollte eigentlich auf ca. 5900m zu liegen. Die umliegenden 5000er scheinen schon fast mickrig, gegen deren großen Bruder.

Die Straße zum Eingang des Nationalparks und zu dem Zustieg zum Berg verläuft einmal komplett südlich herum. Bis wir also an der westlichen Seite des Berges ankommen, haben wir einen schönen Wegbegleiter.

Sonntags hat auch der Pförtner frei

…und so können wir einfach hereinfahren. Keiner interessiert sich für uns und auch in dem Dorf Sajama scheint nicht viel los zu sein. Da wir morgen früh starten werden, schauen wir uns heute noch den Zustieg an: Es gibt so etwas wie einen Parkplatz und der Trail scheint eingelaufen zu sein. Das haben wir schon oft anders erlebt. Den Rest des Tages verbringen wir auf der auf der anderen Talseite an den heißen Quellen. Praktisch, wenn das Wasser kochend heiß aus der Erde kommt: Wir sparen uns das Gas und hängen die Eier, die wir als Proviant mitnehmen möchten, kurzer Hand in einen Geysier. Wie multifunktional doch der PeakRider ist! Nachdem alle Vorbereitungen für die morgige Tour getroffen sind, wechseln wir wieder auf die andere Seite und schlagen unser Lager am Traileinstieg auf.

Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier

Auf los geht’s los

Kurz bevor die Sonne aufgegangen ist, sind wir schon auf dem Weg zum Sajama. Auf dem Weg zum Gipfel liegen zwei Basislager. Eigentlich war unser Ziel, das zweite Lager zu erreichen und von dort abzufahren. Das Zweite Lager liegt genau an der Gletschergrenze auf ca. 5900m. Daraus wird es heute aber nichts: Die Schneegrenze reicht wesentlich weiter herunter. Was wir heute fahrtechnisch rausholen können und wie hoch wir kommen, müssen wir vor Ort entscheiden.

Powder, Flow und hart gekochte Eier

Der Weg verläuft zunächst lange flach und schmal durch eine Ichu-Buschlandschaft auf sandigem Boden: das wird flowig! Neben Ichu wächst hier übrigens die am höchsten wachsende Baumart der Welt: Der Queñua Krüppelbaum. Botanik Stunde beendet. Das Tragen des Bikes wird bald obsolet und es lassen sich sogar einige Meter kurbeln – bis der Sand zu tief wird, also wird weitergeschoben. Einige Vicuñas ergreifen die Flucht vor uns und schauen anschließend unserem Treiben aus sicherer Entfernung zu. Die erste Pause machen wir am Basislager. Hier sind wir auf 4820m und haben bisher lediglich 400hm auf fast 5km gemacht. Wir genießen kurz die Aussicht. Der Blick zum Berg stellt eines ganz klar fest: Wir sind klein, er ist groß. Die Dimension ist gigantisch.

Powder, Flow und hart gekochte Eier

Der weitere Weg wird steiler, was wir sehr begrüßen. Wir arbeiten uns auf ein Plateau, an dem der Weg zwar wieder abflacht, dafür aber nach noch mehr Flow aussieht. Wir kommen der Schneegrenze näher: Kurz oberhalb des Kamms, auf dem der Weg zum zweiten Lager weiter verläuft. Es wird grob und steil, die ersten Stellen, an denen bergab etwas Arbeit nötig sein wird: sehr gut! Wir erreichen den Kamm: noch gute 200 Höhenmeter bis zum ersten geschlossenen Schneefeld. Dann wird es sich zeigen, was noch zu holen ist. Dort angekommen machen wir auch Rast. Das GPS erzählt etwas von 5500m, es wären also nur noch etwas über 400 Höhenmeter bis zum Basislager. Doch das alles auf Schnee? Wenn man hier abgeht, bremsen einen erst wieder die Felsen unten. Zur anderen Seite ist der Hang noch steiler. Wir machen eine Rollprobe: Oha, besser als gedacht! Wir beschließen, noch etwas weiter aufzusteigen, bis es zu steil zum Abfahren wird. Wir können noch weitere 150 Höhenmeter auf dem Schnee gut machen, dann wird es zu steil für eine sichere Abfahrt im Schnee.

Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier

What goes around, comes around…

…und wir bereiten uns auf die Abfahrt vor: Wir schnabulieren unsere Brote und die in den Geysiren gekochten Eier (perfektes Eigelb!), beschonern uns und ab geht’s! Es ist steil; es rollt, bremsen klappt aber nicht so gut. Gegenlenken funktioniert. Wir haben die volle Kontorolle, das fühlt sich gut an. Der Übergang vom weichen Schnee ins scharfe Gestein rumst ordentlich. Die 150 Höhenmeter durch den Schnee sind schnell vernichtet. Vor uns liegen mehrere Hundert Tiefenmeter S3 Techflow. Hier und da taucht eine S4 Passage auf und wir knobeln ein wenig. Wir haben mächtig Spaß! Der Trail verlässt den Kamm und flacht ab, das Niveau sinkt und wir werden schneller. Große lose Felsen sind tückisch, wir lassen es uns aber nicht nehmen, mit dem Gelände zu spielen.

Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier

Wir erreichen das zweite Hochplateau und feuern mit mächtig Druck auf den Seitenstollen dem Basislager entgegen. Die Blickführung ändert sich gravierend nach vorne, man muss aufpassen, dass man nicht vom Trail abkommt – solche Geschwindigkeiten sind wir nicht mehr gewohnt! Vorausschauend fahrend und dem Tal entgegenrauschend erreichen wir das Basislager. Kurze Pause, letztes Brot, Endspurt. Im Tal stehen die kleinen Brüder des Sajama, wir fahren ihnen zügig entgegen. Queñua Bäume links und rechts rauschen an uns vorbei, wir driften durch den sandigen Weg um Ichu Büsche herum – zack! Lamas. Ich fahre Flo fast auf, so stark haut er in die Eisen, trotz ausreichend Abstand. Mit gedrosselter Geschwindigkeit rollen wir an der Lamaherde vorbei und lassen es wieder laufen, bis das ausgetrocknete Bachbett uns wieder an der Transe ausspuckt.

Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier

Wir packen zusammen und wechseln die Talseite, um uns eine Portion Wellness in den Geysiren zu gönnen. In dem gut 40 °C warmen Wasser lassen wir uns einweichen. Der Sajama war ein voll erfolgreiches Projekt, mit allem dabei – so etwas sollte es öfter geben!

Powder, Flow und hart gekochte Eier
Powder, Flow und hart gekochte Eier

Nicht von dieser Welt

Nicht von dieser Welt

Salzsurrealismus

Wir haben überlebt, das Auto ist nicht abgesoffen. Die Salzkruste auf dem Salar de Uyuni hat über Nacht gehalten – unser Ford Transit steht mutterseelenallein auf der Salzbank, wir stehen daneben und bewundern den traumhaften Sonnenaufgang. Bewundern tun wir auch die etwa 20 Zentimeter großen, tiefblauen Löcher in der Salzkruste, die so tief sind, dass man keinen Boden sieht. Wäre ungünstig, wenn man solch ein Loch beim Fahren treffen würde. Unsere nächtliche Irrfahrt am gestrigen Abend war wohl doch eine heiße Nummer! So heiß, dass wir uns gegen die direkte Route über den See zum Vulkan Tunupa entscheiden. Stattdessen wählen wir die Touristenroute über die Insel Incahuasi – falls uns unterwegs auf dem See etwas passieren sollte, so kommt wenigstens jemand vorbei, der uns helfen kann.

Nach etwa fünf Kilometern Fahrt erreichen wir ein Hotel, das direkt auf dem Salzsee gebaut ist – und das komplett aus Salz! Hier wimmelt es bereits von Touristen. Mitten im Gewusel treffen wir auf ein deutsches Pärchen und wenig später auf einen Kanadier. Sie alle sind auch mit eigenem Auto auf längerer Reise unterwegs. Man kommt ins Gespräch, trinkt zusammen Kaffee und quatscht sich fest.

Nicht von dieser Welt
Nicht von dieser Welt
Nicht von dieser Welt
Nicht von dieser Welt

Viele Worte später ist es 11 Uhr und wir treten unsere Fahrt in Richtung Insel an – 73 Kilometer über den See. Bereits nach wenigen Metern sind wir komplett allein. Die Spuren der Autos verlieren sich im etwa drei Zentimeter tiefen Wasser. Wir sind wieder auf uns gestellt in dieser unwirklichen Landschaft. Wasser, wohin das Auge reicht. Am Horizont verschmelzen See und Himmel zu einer undefinierbaren, weißen Einheit. Und wir fahren mit dem Auto mittendurch. Völlig verrückt und fast schon unglaublich, würden wir nicht mitten drin stecken. Im GPS sind die Koordinaten der Insel eingespeichert – ohne wären wir hilflos in dieser lebensfeindlichen Landschaft verloren. 40 Kilometer Fahrt braucht es, bis die Insel allmählich am Horizont sichtbar wird. Als wir schließlich ankommen entdecken wir ein kleines Restaurant. Ein Mann kommt uns entgegen und fragt uns ganz verwundert, wie wir denn hier her gekommen seien. Mit dem Auto natürlich! Das Restaurant ist leider geschlossen und hat täglich nur bis 10 Uhr morgens geöffnet. Bis dahin kommt die Touristenkolonne mit den Jeeps vorbei – danach ist hier tote Hose. Nach solch einer Abfuhr müssen wir den Herd wohl selbst anwerfen.

Nicht von dieser Welt

Frisch gestärkt legen wir mit unserem Auto von der Insel ab und schippern in Richtung Vulkan Tunupa. Das sind zwar nur noch 37 Kilometer, aber diese stehen komplett unter Wasser. Die Salzkruste im drei Zentimeter tiefen Wasser besteht aus wunderschönen Würfelkristallen in allen möglichen Formen. Manche von ihnen sehen aus, als wären sie Bestandteil einer Buchstabensuppe. Wir fahren mit dem Auto über Kristalle durch einen See, dessen Ufer mit dem Himmel verschmelzen und jegliche Orientierung ausschalten – hier kassiert Mutter Natur definitiv die vollen 100 Stylepunkte. Man kann sich schier nicht sattsehen an dieser Landschaft.

Etwa ein Kilometer vor der Seeausfahrt scheint die Motorleistung im dritten Gang plötzlich nach zu lassen. Was ist jetzt los? Hat sich zu viel Salz im Motor abgelagert? Zweiter Gang, jetzt geht es wieder – aber etwa 100 Meter vor der Ausfahrt verlässt uns auch der zweite Gang. Wenigstens realisieren wir jetzt, was das Problem ist: die Salzkruste wird zunehmend weicher und unser Auto sinkt ein. Zudem wird das Wasser immer tiefer. Erster Gang, Vollgas, die Stoßstange schiebt schon eine Welle vor sich her – mit dem allerletzten Schwung schaffen wir es gerade noch aus dem See heraus. Puh, das war knapp!

Nicht von dieser Welt
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Der Schlüssel für Berg und Mumien

Wir packen den Eiskratzer aus, um die etwa ein Millimeter dicke Salzschicht auf unserem Auto wenigstens von den Fenstern zu entfernen. Und dann ab ins nächste Dorf. Blöderweise läuft der Motor auf der nicht mal fünf Kilometer lange Strecke heiß. Ein Blick unter die Haube identifiziert das Problem umgehend: Auch der Kühlergrill hat eine ordentliche Salzschicht. Praktischerweise gibt es im Ort am Dorfplatz einen öffentlichen Wasserhahn. Einige Liter später ist der Kühler wieder sauber – wir können weiter. Praktischerweise zweigt die Auffahrt zum Vulkan direkt neben dem Wasserhahn ab. Unpraktischerweise ist die Auffahrt aber durch ein Tor versperrt. Ein Schild sagt, man solle sich an die Touristeninfo wenden, wenn man hoch möchte. Praktischerweise befindet sich die Touristeninfo genau auf der anderen Seite des Wasserhahnes. Unpraktischerweise ist diese aber geschlossen. Praktischerweise kommt aber gerade eine Frau vorbei, die wir fragen können, wer denn die Touristeninfo ist. Praktischerweise ruft sie auch gleich den Herrn Touristeninfo an und praktischerweise kommt dieser nach 10 Minuten vorbei. Unpraktischerweise erklärt uns der Herr aber, dass man zum Vulkan nur mit einem Guide hoch fahren darf und den Berg selbst darf man sowieso nur mit Guide besteigen. Wir erklären ihm, dass wir keinen Guide brauchen, da wir selbst Mountainbikeguides sind und Bergführer sowieso. Eine halbe Stunde Diskussion später dürfen wir gegen ein kleines Zwangstrinkgeld von 50 Dollar ohne Guide zum Tourenstartplatz hoch fahren und den Berg auf eigene Faust besteigen. Wir bekommen sogar den Schlüssel für eine Höhle dort oben, in der ein paar Mumien rumliegen und rumsitzen. Wir sollen aber sau gut auf den Schlüssel aufpassen, weil es der Einzige ist, den es gibt. Hm, ob wir ihm den Schlüssel nicht einfach für 50 Dollar verkaufen sollen, wenn wir wieder vom Berg kommen? Die Tür zur Höhle sollen wir morgens vor unserem Tourenstart aufsperren, damit die Touristen und Guides rein können – abends sollen wir wieder absperren.

Der Deal steht – also ab in die Auffahrt. Es braucht nicht viel Strecke, bis klar wird, dass dieser Weg nicht für einen Ford Transit angelegt wurde. Mit zunehmender Höhe nimmt auch die Steilheit zu. Wenn jetzt die Geschwindigkeit unter einen gewissen Punkt fällt, dann reicht das Drehmoment im ersten Gang nicht mehr aus, um das Auto zu bewegen. Ziemlich nah am Vollgas brettern wir durch Gräben und über Steine zwischen Tennisball- und Footballgröße – 50 Höhenmeter unter dem Parkplatz ist es dann einfach zu steil. Wir kommen nicht mehr vorwärts. Etwas frustriert bauen wir neben dem Weg die größten Auffahrkeile des Roadtrips aus Steinen. So stehen wir wenigstens gerade. Was für eine Tag! Da schmeckt das Feierabendbier besonders gut.

Nicht von dieser Welt
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Über dem weißen Meer

Goldene Sonnenstrahlen werfen lange Schatten in die faszinierende Landschaft. Wir schultern die Bikes, sperren kurz den Mumien die Höhlentüre auf und marschieren gemächlich in Richtung Gipfel. Heute sind es etwa 1400 Höhenmeter bis auf einen Nebengipfel auf 5321 Meter. Der Hauptgipfel mit 5432 Metern besteht aus fast senkrechtem Fels – da wird ’s wohl keine Bikeline geben.
Die morgendliche Landschaft und der Salzsee im Hintergrund haben etwas beruhigendes – eine tiefe Zufriedenheit und Ruhe setzt ein. Neben uns springen lustige Tiere über Felsen und Büsche. Sie sehen aus wie eine Kreuzung zwischen Kängurus, Ratten und Hasen. Immer wieder fällt unser Blick auf den vielleicht größten Spiegel der Welt – wegen der geringen Wassertiefe bilden sich praktisch keine Wellen auf dem See. Gleichzeitig beobachten wir, ob die vermutete Kolonne aus Touristenjeeps aus Richtung Insel bereits über den See gefahren kommt. Doch niemand ist in Sicht. Komisch.
Die Bikes liegen gut auf dem Buckel, die Kondi passt auch – wir machen schnell Höhe. Der Trail zieht in einen Sattel. Von hier haben wir zum ersten Mal ein Panorama von über 180 Grad auf den See. Ein perfekter Platz für die Mittagspause.

Nicht von dieser Welt
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Voller Ehrfurcht fällt unser Blick auf den weiteren Aufstieg: Auf einem Grat schlängelt sich der Trail weiter dem Gipfel entgegen, aber in was für einer Steilheit! Das wird ’ne harte Nummer. Die Pumpe läuft auf Hochtouren – die Füße laufen auf Untertouren. Aber es läuft bei uns, obwohl der Untergrund unter unseren Untertourenfüßen unheimlich unmenschlich ist: Bei fast jedem Schritt rutschen wir einen Halben zurück.
Nach gut 300 Höhenmetern ist die Plagerei auch schon vorbei. Der Grat wird flacher, die Seitenwände aber steiler, die Kante obendrauf schmaler und der Trail anspruchsvoller. Endlich mal krasses Gelände für die Abfahrt! Unser Ziel – der Nebengipfel – ist nun auch endlich in Sicht. Noch etwa 200 Höhenmeter, dann haben wir es geschafft!

Nicht von dieser Welt
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Sechs Stunden für 1400 Höhenmeter Gesamtaufstieg, das dürfte in der Höhe gar nicht so schlecht sein. Freudig fallen wir über die Gipfeljause her. Der Ausblick ist bombastisch: Wir können nun den kompletten See bis zum Horizont überblicken. Ein weißes Meer; unvorstellbar, wie solch eine riesige Fläche mit Salz aufgefüllt werden konnte. Mutter Natur findet einfach immer wieder kuriose Wege. Man kann sich kaum satt sehen an diesem Wunderwerk der Natur: ein Dreiviertel des Berges ist umgeben vom Salzsee. Wir halten mal wieder nach der Touristenjeepkolonne Ausschau – nichts zu sehen.

Ein wunderschöner, spitzer Panoramagrat, garniert mit ein paar technischen Stufen im S4-Bereich – besser kann eine Abfahrt kaum beginnen. Fast fällt es schwer, sich auf den Trail zu konzentrieren. Links lockt der Blick in den explodierten Vulkankrater, rechts der größte Salzsee der Welt. Zum Glück klappen nicht alle Technikpassagen auf Anhieb – so haben wir vor dem zweiten Versuch wieder Zeit für die Aussicht.

Nicht von dieser Welt
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Es folgt ein flowiger Abschnitt, bevor der Trail in den unteren, steilen Gratbereich kippt. Die Aussicht wechselt von schön auf angsteinflößend. Leicht nach außen hängend, nur 20 Zentimeter breit, bröselig und rechts kaum Platz für den Lenker: Der Trail verläuft über ein schmales Felsband – eine klassische „No-Fall-Zone“. Ein paar Sitzkehren tiefer wartet die nächste Herausforderung. Es geht über ein paar schräge Flesplatten. Vertraue deinen Reifen heißt es da, aber die erste Rollprobe zeigt, dass man hier eher sagen muss: Vertraue dem Fels. Denn die Platten bröseln uns fast unter dem Vorderrad weg – völlig neue Herausforderungen in unserer Bikekarriere. Ergänzt wird dieser Abschnitt mit etwa 200 Höhenmetern Spitzkehrengewedel und schon stehen wir wieder am Sattel. Mit einem Schlag wird der Trail flowig: Wir cruisen durch einen Mix aus Kakteen, Sträuchern und größeren Felsbrocken. Das Gefälle ist sanft, man muss kaum bremsen, kann die Geschwindigkeit schön halten. Aber die Sträucher sind tückisch – fährt man ein paar Zentimeter zu weit am Wegesrand, so bleiben Fuß und Pedal fast in den knüppelharten Büschen hängen.

Die letzten Trailmeter werden richtig technisch: ein paar knackige S4-Stellen aus feinsten Granitplatten sorgen noch einmal für Spannung. Und schon stehen wir mit breitem Grinsen vor der Mumienhöhle. Von drinnen grinsen uns die Mumien an, aber denen schieben wir umgehend einen Riegel vor.

Nicht von dieser Welt
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Wir laden die Bikes ins Auto, rufen den Herrn Touristeninfo an und eiern den Feldweg wieder herunter. Mister Touristeninfo wartet auch schon am Tor auf uns und wir übergeben den Schlüssel zur Mumienhöhle – ohne die 50 Dollar zu kassieren. Warum denn keine Touristen über den See gefahren seien, fragen wir ihn. Das Wasser sei zu tief, da fährt niemand drüber. Na super, da hat es sich ja gelohnt, dass wir die sichere Route über den See gefahren sind, um notfalls Hilfe zu bekommen.

Feierabend für heute, wir suchen uns einen schönen Stellplatz am Seeufer, schmeißen den Gaskocher an, schauen den Lamas beim weiden zu und genießen den Sonnenuntergang am See.

Nicht von dieser Welt
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Ein kalter, langer Tag

Ein kalter, langer Tag

Durch drei Länder nach Bolivien

Mit der Sonne stehen wir auf. Bevor der Kaffee fertig ist, grüßt uns ein vorbeifahrender Zug. Die moderne Lok erklärt, wieso die alten Schneeräum Loks ausrangiert worden sind. Wir vertrödeln nicht allzu viel Zeit und machen uns auf in Richtung San Pedro de Atacama: Eine Wüstenstadt, die als Hauptdrehkreuz für Touristen in der Atacama Wüste dient. Von hier aus reist ein großer Teil der Touristen auch nach Bolivien. Für uns ist der Lebensmittelladen und die einzige Tankstelle im Ort relevant. Nach dem Grenzübertritt nach Bolivien werden wir bis Uyuni mal wieder auf uns gestellt sein. Doch bevor es zu dem von der Rally Dakar geprägten Ort am Salzsee geht, haben wir noch einen Mustervulkan vor uns: Volcano Licancabur. 5916m, gelegen oberhalb mehrerer Lagunen kurz hinter der Bolivianisch-Chilenischen Grenze. Das wäre soweit unser höchstes Projekt.

Ein kalter, langer Tag

Wir verbringen den gesamten Tag im Auto. Nur an der Grenze von Argentinien nach Chile werden wir von mehreren Reisebussen ausgebremst, deren Passagiere leider vor uns an der Immigration Control stehen. Der Pass ist, wie viele der anderen auch, als „windig“ zu klassifizieren. Hier sind nicht nur Steine, sondern ganze Felsen von Sand und Wind entsprechen gestrahlt – wie zum Beispiel eine riesige Felssäule, unter der wir kurz Rast machen. Eins der unzähligen Touristenziele abgehakt nähern wir uns San Pedro. Während der Talfahrt zeigt er sich: Mit mächtig Abstand zu den Nachbargipfeln ragt der Licancabur nördlich der Passstraße über uns heraus. Der Mustervulkan – unsere Motivation steigt, denn er ist nahezu schneefrei. Ein paar Fragezeichen gibt es aber noch: Schafft es unsere Transe bis zum Tourstart auf 4600m Höhe? Schaffen wir den Aufstieg von 1300 Höhenmetern bis auf 5900m an einem Tag? Wir werden sehen. Wir nächtigen unterwegs kurz oberhalb vor San Pedro, um dem Rummel weitestgehend zu entgehen.

Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag

San Pedro – und schnell weiter!

Am nächsten Morgen rollen wir in den Ort und decken uns ein. Erledigen soweit alles, was hier möglich ist und verlassen die von Gringos überlaufene Stadt auf dem Weg zum Hito Cajon Pass nach Bolivien. Mittags erreichen wir die Grenze. Nichts los in dem modernen Hangar-ähnlichem Bau. Die Heizung ist an. Die Lebensmittelkontrolleure spielen Tischtennis. Wir lassen uns aus Chile ausstempeln und fahren zur Bolivianischen Grenze. Nur die ausgeblichene rotweiße Schranke weist auf etwas Offizielles hin, anderenfalls hätten wir die Immigration Kontrolle in dem Lehmbau mit Strohdach rechts liegen lassen. Die Beamten erbarmen sich, unsere Chilenischen Pesos in Bolivianische zu wechseln – zu einem verhandelbaren Kurs. Kurioserweise werden wir noch nach ein, zwei Tomaten gefragt, müssen aber leider passen. Nachdem wir den Zoll und den Eintritt in den Nationalpark erledigt haben, machen wir uns darauf, das erste Fragezeichen der Licancabur-Tour zu klären: Schafft es die Transe auf die 4600m? Der Weg ist direkt ab der Parkeinfahrt eine Herausforderung. Hunderte der Jeeps, welche Touristen ab San Pedro nach Uyuni fahren, haben Spurrillen in den Sand gefahren, in denen wir gnadenlos stecken bleiben würden: Ein Fahrfehler, und alle vier Räder hängen in der Luft, während unser Bus auf dem Mittelstreifen aufliegt. Einige Kilometer gehen gut und wir kommen ins felsige: Techflow mit dem Transporter. Die Seen liegen auf 4300m, fehlen als nur noch 300 Höhenmeter. Mit etwas Arbeit und Zehenspitzengefühl für die Kupplung schaffen wir es tatsächlich!

Auto aufbocken, Rucksäcke vorpacken, Bikes zusammenstecken und Essen fassen. Dämmerung. Nördlich gewittert es, unser Gipfel verschwindet ebenfalls in den Wolken. Wind zieht auf. Es fängt an zu schneien. Verdammt! Mal wieder ist die Wetterprognose falsch. Nunja, morgen früh sind wir weiser – vielleicht auch weißer.

Ein kalter, langer Tag

Wir greifen an!

Der Wecker klingelt viel zu früh; es ist a….kalt. Man fühlt es nicht nur, man sieht es: Die Scheiben sind gefroren – von innen! Blick nach draußen: weiß, aber gnädig. Es spricht wenig gegen den Tourstart. Nach dem Frühstück dauert es etwas, bis das Fahrradschloss wieder gängig ist und dann geht’s los. Der Aufsteig im Dunkeln beginnt mit einem metallischen ‚klong’ Geräusch: Die festgefrorenen Bremsbeläge lösen sich von den Scheiben und wir schieben los. 1300 Höhenmeter bis auf 5900m liegen vor uns. Einen großen Teil des Trails konnten wir am Vorabend einsehen, das motiviert. Im Kegel der kleinen schwachen Stirnlampe gibt es nicht viel zu sehen, es reicht für einen sicheren Tritt. Erst zum Sonnenaufgang zeigt sich die surreale, nahezu schwarz-weiße Landschaft. Der Weg ist klar definiert und wir stiefeln Meter um Meter dem Grat entgegen. Der Untergrund wird bröseliger und weicher, doch es sollte noch alles fahrbar sein. Nach dem Grat wird’s felsiger – ob man hier noch viel fährt?

Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag

Es sind noch gute 300 Höhenmeter bis zum Gipfel. Eine S3 Stelle reiht sich an die nächste S4 Stelle, hin und wieder S5 – das wird Arbeit werden! Die Zeit sitzt uns etwas im Nacken, wir sind langsamer, als wir gedacht haben. Gut, wir sind hier auf fast 6000m Höhe, der Sauerstoffgehalt der Luft hat sich bereits mehr als halbiert. Es folgt etwas Kletterei und der Weg verläuft sich. Irgendwo müssen wir einen Abzweig verpasst haben – nix sieht mehr fahrbar aus. Wir entscheiden uns, die letzten 50 Höhenmeter zum Gipfel ohne die Bikes zu machen. Wir sind zu platt, die Abfahrt steht noch bevor und die Zeit drängt.

Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag

Also rauf und siehe da: Ein riesiger Krater mit einem See darin. Es scheint wohl noch etwas Geothermie zu geben, sonst müsste der See gefroren sein. Hinter dem Krater liegt San Pedro in Chile und hinter uns die Lagunen und die bolivianische Wüste. Rundumblick: Wie aus dem Flugzeug! Wir machen ein kurzes Vesper und genießen die Aussicht. Dabei stellen wir fest, dass wir uns bis zum Gipfel komplett „hochgeriegelt“ haben: Wir sind wohl so geplättet, dass der Körper nicht mal ein Hungergefühl entwickeln kann. Mehr als vier Müsliriegel hat keiner von uns verspeist. Der Wind zieht an und schiebt die ersten Wolken über den Gipfel. Passt aber, die Uhr sagt uns sowieso: Abfahrt!

Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag

…von wegen. Wir stechen in den Trail rein, doch müssen immer wieder absteigen. Entweder ist es zu verblockt, sodass das Bike nicht durchpasst oder zu riskant, auf der Höhe sich an S4 bis S5 Passagen auszutoben. Die größten Schwierigkeiten bereitet uns aber die dünne Luft: Kaum macht man einige schnelle Bewegungen, schon ist man aus der Puste. Und so werden einige Meter getragen, einige gefahren, doch ein flow-Gefühl kommt noch nicht auf. Es bessert sich, als wir auf den Grat kommen, doch nun verabschiedet sich der Grip: Zu weich der Untergrund, wir müssen in dem rutschenden Belag mitschwimmen. Während wir unserem Bus ins Tal entgegen schwimmen, sind wir teils mehr Passagier als Fahrer. Der Trail flacht gegen Ende ab und es lässt sich kontrollierter fahren. Der Weg fährt noch ein paar schöne Bastelstellen auf, aber der Tag ist lang gewesen und wir sind heilfroh, als wir unten ankommen. Die Kondition und die Kraft haben Feierabend gemacht. Es dämmert bereits, mit letzten Reserven – woher auch immer wir die noch nehmen – kommen wir am Bus an. Die Aktion hat Körner gekostet.

Ein kalter, langer Tag
Ein kalter, langer Tag

Geschafft – vor allem wir selber

Das Lager schlagen wir heute nur 300m tiefer auf am Ufer der Laguna Verde auf – vielleicht wird es weniger kalt. Die nächsten Tage geht’s dann durch die bolivianische Wüste in Richtung Uyuni.

Ein kalter, langer Tag

A mind-blowing day

A mind-blowing day

Nachts ist’s kälter als draußen

Es ist noch dunkel und unsere dicksten Schlafsäcke hängen an den Autotüren. Wir haben fast unsere wärmste Kleidung an und warten, bis der Kaffee kocht. Es ist kurz vor sechs Uhr morgens. Händewaschen tut weh, das Wasser ist eiskalt.

Heute soll’s auf einen benachbarten Berg vom Ojos del Salado gehen: südlich der Laguna Verde, nördlich vom Ojos, kein Name in keiner Karte, aber gute 5900m hoch. Das Ziel des Tages ist, sich zu akklimatisieren. Wir starten direkt von unserem Basecamp an der Laguna Verde, die auf 4300m liegt. Sollten wir es bis zum Gipfel schaffen, haben wir nicht nur eine gute Aussicht auf den höchsten Vulkan Südamerikas und unser nächstes Projekt, sondern auch noch ordentlich was gerissen.

In der Morgendämmerung laufen wir gemächlich los und merken direkt die Höhe, also erstmal das richtige Tempo suchen. Der Weg ist klar ausgetreten, es lässt sich gut laufen. Die Bikes zu schieben wir schnell ineffizient und wir schultern sie. Gegen neun Uhr ist die Sonne komplett aufgegangen, aber wärmer wird es nicht. Vor uns: ein karger Berg mit wenig grün. Hinter uns: eine Landschaft, nicht von dieser Welt! Die Lagune lässt sich nun komplett überblicken, gesäumt von weißen Berggipfeln in einer Wüstenlandschaft. Es ist schwer, sich daran satt zu sehen und mit jedem zusätzlichen Höhenmeter wird der Blick nach unten beeindruckender.

A mind-blowing day
A mind-blowing day

Wir hatten uns eigentlich gefreut, dass der Wind nicht so Kachelt, wie am Vorabend, doch so langsam wird dieser immer präsenter. Die Sonne scheint das Tal doch aufzuheizen. Unpassender Weise verläuft der Trail entweder seitlich zum oder gegen den Wind. Das Bike wirkt wie ein Segel: Wird es einem nicht von den Schultern geweht, so wird man selbst samt Bike zurückgeweht. Dabei sind wir noch nicht mal auf 5000m angekommen. Mittags kommen noch Böen hinzu – Zeit für die Sturmhauben, die Kapuzen sind nicht genug. Es ist schwer, sich auf den Beinen zu halten. Wir sind zwar auf der windabgewandten Seite unterhalb des Grats, haben aber immer noch zu kämpfen. Wir spüren ihn nicht nur, wir hören ihn, wie er über den Grat bläst und uns immer wieder vom Weg abdrängt. Die Wettervorhersage kündigte etwas zwischen 35 und 40 km/h an. Derzeit wird es eher das Doppelte sein.

Wir erhaschen einen Blick auf unseren Zielgipfel: noch fast 700 Höhenmeter – über den Grat. Wir machen Rast. Auf die Rucksäcke legen wir große Felsbrocken, sonst nimmt sie der Wind. Ich habe keinen Hunger, mir ist kodderig. Flo klagt über einen dicken Schädel. Höhenkrankheit? Nicht unwahrscheinlich auf 5200. Zu schnell aufgestiegen können wir nicht sein, es war jedoch wesentlich anstrengender, als es hätte sein müssen. Wir entscheiden uns in die Abfahrt zu gehen, die wird noch anspruchsvoll genug.

A mind-blowing day

In den Wind lenken, gegen den Wind treten

Es war klar, dass wir nicht einfach runterrollen werden können. Doch in welchem Maß uns der Wind daran hindert, ist „mind-blowing“. Hat man das Gleichgewicht beim Rollen bekommen, ist die nächste Kurve, selbst ohne Spitzkehre oder Stufe, eine Herausforderung. Lässt der Wind kurz nach, kommt man vom Trail ab. Ohne es bewusst zu registrieren, lenkt man gegen den Wind in den Hang. Wahnsinn! Beim Versetzen dasselbe Spiel: Gegen den Wind, braucht es richtig Schwung, mit dem Wind wird das Heck um die Ecke geweht – aber auch nur, wenn der Wind konstant anhält. Weil man permanent gegenlenkt, müssen wir bei flacheren Sequenzen treten.

Wir arbeiten uns bergab in ein Blockfeld. Die Räder präzise auf die Steine zu setzen: unmöglich. Es ist ein Glücksspiel, ob die S2 Passage sitzt, oder nicht. Der Wind wird nicht schwächer. Eigentlich befinden wir uns nun auf einem Flow Trail, der uns an der Lagune ausspucken sollte. Die windzugewandte Seite benennt die letzten Tiefenmeter um: „Blow Trail“. Wir werden seitlich den Hang hinauf geblasen. Gegenlenken genügt nicht mehr. Bis zum letzten Meter ist Konzentration und Reaktion gefragt, um mit dem Wind fahren zu können. Wir sind froh, sobald wir an unserem Bus ankommen: So einen starken, stetigen Wind habe ich noch nicht erlebt.

A mind-blowing day
A mind-blowing day

Vom Winde verweht lassen wir den Abend an der Lagune ausklingen. Der Wind zaubert ihr immer wieder schöne Schaumkronen hinein. Wenn man jetzt einen Windsurfer dabei hätte… und ob es am östlichen Ufer einen Windswell gibt? Soll uns jetzt egal sein. Völlig platt stecken wir unsere Beine in eine der Thermalquellen und lehnen uns an die windschützenden Steinwände. Reicht für heute.

A mind-blowing day
A mind-blowing day

Übrigens: Für unseren Trip haben die überkorrekten Jungs und Mädels von PYUA uns mit ihrer ecorrect outerwear ausgestattet. Wir hatten zwar noch keinen Schnee, aber vor den restlichen Bedingungen haben uns die Klamotten bei 70 km/h Wind und Temperaturen gut unter null sicher verpackt. Ganz schön guter Stoff, muss man sagen: Muchas gracias!

A mind-blowing day
A mind-blowing day

Wedeln, nochmal wedeln!

Wedeln, nochmal wedeln!

Pläne schmieden, unser Mögliches abwägen

Hinter uns liegt mal wieder ein Orga- und Reisetag zurück: Einkaufen, WiFi Spot aufsuchen und gut Strecke zurücklegen. Spät abends fahren wir im ersten Gang eine Schotterpiste rauf. Unser heutiges Ziel liegt auf 3000m Höhe und ist der Ausgangspunkt zum Cerro de Plata: 5961m hoch, teils vergletschert und umgeben von sich hochtürmenden Nebengipfeln mit senkrecht abfallenden Wänden. Am Fuß des Berges liegt ein ca. 20km langer See. Ein starkes Pano ist garantiert! Hätten wir einen Tramper an der Schotterpiste nicht aufgesammelt, wären wir an der Bergwacht eiskalt vorbeigefahren. Hier müssen wir uns registrieren und bekommen jeweils einen nummerierten Beutel für unsere Kacke. Beim Check-Out aus dem Reservat muss dieser wieder hier abgegeben werden. Don’t shit where you eat!

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Wir parken am Ende der Schotterpiste und wollen uns zügig noch was zu essen machen, denn es geht bereits auf Mitternacht zu. Unsere Küche können wir aber nicht nutzen: Die Gasflasche ist leer, verdammt! Kurzer Hand greifen wir auf unseren Camping Kocher zurück. Während wir kochen und essen, bietet uns eine äußerst aktive Gewitterzelle im Tal eine spektakuläre Unterhaltung. Bevor es ins Bett geht, schmieden wir noch einen Plan für die kommenden Tage. Es wird mehr Geschleppe werden, als bei der letzten Zweitagestour: Wir brauchen unsere dicken Schlafsäcke für Minustemperaturen, ebenso mehr warme Klamotten und mehr Proviant – wir werden über zwei Tage für den Gipfel brauchen. Die Überlegung, uns Träger zu organisieren ist da. Wir entscheiden uns für einen etwas anderen Versuch. Vier Tage: Am ersten Tag steigen wir mit dem Zelt und dem Proviant für den Gipfeltag zu. Lassen das Ganze im Basiscamp zurück und steigen weiter auf, um uns etwas zu akklimatisieren und fahren anschließend wieder ins Tal ab. Der zweite Tag ist ein Ruhetag und wir können ins Tal fahren um unsere Gasflasche aufzufüllen. Am dritten Tag würden wir mit der zweiten Hälfte des Materials – Schlafsäcke, Isomatte, etc. zusteigen und am Basislager auf 4300m übernachten. Der vierte und letzte Tag ist der Gipfeltag, an dem wir dann mit dem gesamten Equipment komplett ins Tal abfahren. Der Wettercheck sagt für unseren Zeitplan: Schnee am dritten Tag: 2cm im Basislager, 17cm am Gipfel. Die Sonne knallt hier ordentlich, könnte also trotz Niederschlag funktionieren. Ob wir das schaffen, einen fast 6000er mit der Herangehensweise zu erklimmen, gilt es herauszufinden. Ab morgen.

Wedeln, nochmal wedeln!

Tag 1: Knapp dem Eiskratzen entgangen

Der nächste Morgen: Es hat mächtig aufgefrischt. Unsere dünnen Schlafsäcke sind auf 3000m Höhe im Bus nun am Limit. Nachts gab es etwas Niederschlag und der Bus ist angezuckert – sowie die Felswände um uns, die man in der Wolkensuppe zumindest erahnen kann. Es ist kalt. Beim Packen des Autos in Deutschland haben wir die richtige Entscheidung getroffen: Lassen wir mal den Eiskratzer im Handschuhfach.

Wedeln, nochmal wedeln!

Wir packen unsere Rucksäcke und stiefeln los. Wieder sind es rund 26kg pro Person. Bis zum Basislager sind es 1300 Höhenmeter – könnte sportlich werden. Es zeigt sich jedoch, dass der Weg sehr gut eingelaufen ist. Wir können viele Abschnitte schieben, den flachen Teil sogar kurbeln. Es gibt Wegweiser und Schilder mit Höhenangaben – ein Novum auf unserer Reise! Der Trail wird verblockter, das Tragen effizienter. Wir kommen gut vorwärts und verlassen die Vegetationsgrenze. Der Weg verläuft über einen Grat und der Schulterblick bietet mit jedem weiteren Höhenmeter ein abgefahrenes Panorama: Man kann über das gesamte Tal herunterblicken, bis zu dem See ganz unten. Vor uns türmen sich die Felswände der Nachbargipfel. Hier schmilzt die Zuckerschicht der letzten Nacht nicht mehr so schnell weg. Gute viereinhalb Stunden haben wir für die 1300 Höhenmeter bis zu unserem Basislager gebraucht, die Höhe und die Last machen sich bemerkbar. Letztere packen wir aus unseren Rucksäcken aus, tüddeln alles zusammen und suchen ein gutes Versteck für das Zelt und den Proviant.

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Wir machen Mittag und entscheiden uns weiter aufzusteigen: Wir haben noch etwas Zeit in petto und der Akklimatisierung schadet es nicht. Schließlich ist das unser erster richtig hoher Berg auf diesem Trip. In vielen engen Kurven windet sich der Trail weiter hinauf mit einer angenehmen Steigung. Wir freuen uns riesig auf die Abfahrt. Die unterschiedlichen Gesteinsfarben, blaue Gletscher, weiße Schneefelder – das alles mit einer Weite und Tiefe kombiniert, die ich bis dato noch nicht erleben durfte. Kann man schon mal machen! Der Trail wird flacher und wir können den weiteren Verlauf gut erkennen: Man macht etwas mehr Strecke, bevor es dann auf den Grat geht, der auf 4800m liegt. Wir entscheiden uns, es hier gut sein zu lassen. 1650 Höhenmeter Abfahrt liegen vor uns, unzählige Kurven und mordsmäßiger Grip auf dem Festgetretenem Trail: Yeah!

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Wir rollen rein in die Abfahrt. Keine 15m, schon geht’s aufs Vorderrad. Wie es aussieht, können wir in jeder Kurve mit dem Hinterbau wedeln: stimmt! Und so geht es die ersten paar hundert Höhenmeter bergab. Manch eine Kurve lässt sich auch schön auf beiden Rädern durchrollen: Könnte man als Pause ansehen. Und wieder: aufs Vorderrad und einlenken. Spaß. Flow. Basislager. Nach einem kurzen Schnack mit anderen Bergsteigern setzen wir die Wedelei über die Gletschermoräne fort und lassen unser Gepäck bis übermorgen zurück. Hoffentlich müssen wir unser Zelt nicht aus dem Schnee ausgraben. Die Sonne versteckt sich hinter Wolken und trotzdem wird es warm, sodass wir Schichten ablegen müssen.

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Wir verlassen die Moräne und den Schotter und wechseln in die Graslandschaft. Der Trail wird weniger kurvig und wir können es laufen lassen. Die herumliegenden Blöcke laden zum Spielen ein und wir nehmen die Einladung dankend an. Es geht zügig dem Tal entgegen und wir kommen in der Dämmerung am Bus an: alles nach Plan. Wir packen ein und fahren weiter ins Tal, um der Kälte in der Nacht zu entgehen und der Stadt morgen näher zu sein.

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Tag 2: Ruhetag?

Heute ist unser Ruhetag und wir verlassen unser Camp am ausgetrocknetem Fluss in Richtung Stadt. Auf dem Weg dahin fahren wir an einer Raffinerieanlage vorbei, die fehl am Platze zu sein scheint. Auf eine besondere Weise bildet unser Berg zusammen mit der Anlage ein bizarres Bild.

Wedeln, nochmal wedeln!

Unsere Ziele in der Stadt sind klar: Tanken, Einkaufen und die Gasflasche auffüllen. Auf die Gasfüllung müssen wir leider bis mittags warten. Nun gut, dann ist das halt so. Während wir die Seele am Park baumeln lassen, checken wir noch mal den Wetterbericht. Oha! Das könnte ungemütlich werden: Von 2cm im Basislager ist nichts mehr zu sehen. Von den 17cm am Gipfel genau so wenig. Es sind nun über den morgigen Tag aufsummiert für das Basislager 22cm und für den Gipfel über 40cm Schnee gemeldet. Sollten wir unserem Zeitplan treu bleiben, werden wir das Zelt tatsächlich aus dem Schnee ausgraben, sofern wir es überhaupt finden. Wir haben beim Aufstieg gesehen, dass auf der Höhe, trotz der brennenden Sonne, der Schnee kaum schmilzt. Abfahren bei 40cm Neuschnee? Never! Den Gipfel werden wir bei der Vorhersage auf keinen Fall erreichen. Zwei bis drei Tage warten, bis der Schnee geschmolzen ist: zu unsicher. Der Wind nimmt zudem stark zu und würde auf 90km/h steigen. Rationale Entscheidung bei einem Espresso: Planänderung. Ruhetag ist gestrichen. Zelt aus dem Basislager abholen. Wir packen die volle Gasflasche ein, trödeln nicht weiter herum und fahren wieder zum Ausgangspunkt.

Déjà-vu

Es ist 14 Uhr, als wir die Bikes auf die halbleeren Rucksäcke hieven. Man merkt den gestrigen Tag. Die Sonne brennt. Den Weg kennen wir bereits. Wir haben sechs Stunden Zeit für den Aufstieg und die Abfahrt. Wir machen unterwegs zwei Pausen und laufen steten Schrittes die gestrige Strecke bis zum Basislager in unter drei Stunden! Das haben wir selber nicht erwartet, und das auf der Höhe. Wieviel doch das Extragewicht, die Fotopausen und die Akklimatisierung ausmachen. Oben am Basislager gemischte Gefühle: Der Gipfel bleibt uns (mal wieder) verwehrt. Allerdings liegt eine starke Abfahrt vor uns und diesmal im wundervollen Abendlicht. Etwas Kuriosität schleift sich in den heutigen Tag auch ein: Ich bin noch nie mit mehr Proviant in die Abfahrt rein, als in den Aufstieg. Nun gut, das Hinterradversetzen haben wir gestern geübt. Wir holen unsere Bagage ab, verstauen alles in den Rucksäcken und los geht’s!

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Übung macht den Meister und wir wedeln wieder der Abfahrt entgegen. Ich als Wahl-Hannoveraner ohne nennenswertes Gefälle daheim profitiere enorm vom gestrigen Tag und der Körper erinnert sich schneller an die alpine Vergangenheit, als ich es erwartet hätte. Immer mehr Kurven sitzen immer sicherer. Stark! Das Extragewicht im Rucksack ist vergessen. Flo kostet jede Kurve bis zum äußersten aus und wir haben beide einen unglaublichen Spaß. Das Abendlicht schafft neue Farben und bietet ein kontrastreiches Schattenspiel. Unglaubliche Szenerie! Unten raus überholt uns der Schatten des Bergs: keine Chance dranzubleiben. Wir spielen mal wieder mit den größeren Böllern in der Abfahrt und erreichen gegen 19 Uhr unseren Bus. Wir finden einen schönen Stellplatz unten im Tal am rauschenden Bach und lassen den vermeintlichen Ruhetag ausklingen. Leider konnten wir nicht herausfinden, ob wir es geschafft hätten, mit unserer Material-Shuttle-Technik einen Berg ohne Träger zu erklimmen. Es fühlte sich aber nach einer nicht wirklich falschen Herangehensweise an und das ist schon mal etwas. Auch wenn wir jetzt einen Trail doppelt gefahren sind: Es hat richtig Spaß gemacht!

Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!
Wedeln, nochmal wedeln!

Vorweggenommen: Der nächste Tag verlief wettertechnisch gesehen ruhig und wir konnten bis Mittag keine einzige Wolke über den Bergen beobachten. Fast haben wir uns geärgert, uns auf den Wetterbericht verlassen zu haben. Wir sind derweil gute 50km weiter nördlich gefahren. Gegen Nachmittag haben sich binnen weniger Minuten dichte Wolken aufgebraut und eine düstere Stimmung lag über uns. Was danach folgte, zeigte uns, dass wir doch richtig lagen, diese Nacht nicht auf dem Berg verbringen zu wollen:

Wedeln, nochmal wedeln!

Anmerkung:

Sollte sich jemand wundern, dass auf den Bildern der PeakRider nicht mehr zu sehen ist: Mir ist der PeakRider Cone gerissen. Offensichtlich hat der Prototyp einen Material- oder Nahtfehler gehabt und hat unseren extremen Testbedingungen nicht standgehalten. Bei den nächsten Touren werde ich wohl leider auf den PeakRider verzichten müssen. Nach Rücksprache mit den Jungs von PeakRider, heißt es, dass diese Schwachstelle bereits bekannt sei. In der Serie ist die Naht und das Material des Cones verstärkt. Wir werden in der nächsten Stadt versuchen, den Cone mit einem stärkeren Faden reparieren zu lassen.

Wedeln, nochmal wedeln!

Trailhunter - Fotoreise durch Montevideo

Montevideo - eine Bilderreise

Kein Auto - kein Roadtrip - dafür Sightseeing

Wir hängen fest! Genauer gesagt unser Auto. Und ohne dieses kommen wir nicht aus Uruguay weg in die Anden. Unser Auto hängt fest, weil Karneval ist. Alle Behörden und Institutionen haben zu.
Was macht man, wenn man in einer Hafenstadt festhängt? Richtig, man sucht schnurstracks das Meer auf. Und das ist ganz anders, als erwartet. Man würde denken, dass eine große Stadt ein pulsierendes Strandleben hat und neben Bademöglichkeiten ein paar schöne Places to be. Falsch gedacht – die Küste entpuppt sich als eher monoton. Es gibt kaum Zugänge zum Wasser und die Einheimischen scheinen sich auch nicht groß für’s Meer zu interessieren. Bis auf die zahlreich vertretenen Angler passiert hier an der Küste nicht viel – obwohl tolle Badetemperaturen herrschen und eine schöne Brise für ein bissl Windsurfaction anstehet.

Trailhunter an der Promenade von Montevideo

Nach kurzer Badesession ziehen wir eine Runde durch die Stadt. Es gibt viele monumentale Gebäude aus der Kolonialzeit. Teils prunkvoll verziert, stechen sie aus dem Stadtbild heraus – genau wie die sporadisch verteilten, richtig modernen Gebäude. Der Rest der Stadt wirkt teils nur begrenzt einladend. Gebäude sind oft heruntergekommen und es liegt viel Müll in der Gegend herum.

Trailhunter Kolonialgebäude
Trailhunter moderne Architektur
Trailhunter Licht in den Gassen
Trailhunter ein Wohntraum
Trailhunter architektonische Meisterwerke

Wir drehen eine ausgedehnte Runde durch die Stadt – dabei stellen wir fest, dass der Place to be für uns trotz allem einfach am Meer ist. Also auf zum Sonnenuntergang an der Mole.

Die Müllabfuhr in Montevideo
Der Weg zum Meer

Die Anzahl der Angler hat sich fast verdoppelt – am Abend zieht das Meer also doch noch mehr Leute an. Und auch für uns lohnt sich der zweite Besuch: ein paar große Schiffe verlassen passend zum Sonnenuntergang den Hafen und die ganze Szenerie wird in goldenes Licht getaucht. Da ist es nicht die schlechteste Wahl, mit einer Flasche Bier auf der Mole zu sitzen und das Spektakel zu genießen!

Der Containerhafen
Die Kreuzfahrt in den Sonnenuntergang
Traumhafter Sonnenuntergang
Trailhunter - Fotoreise durch Montevideo