Die Webcams diverser Alpenregionen sprechen im Januar üblicherweise eine äußerst einheitliche Sprache: Schnee wohin man sehen kann. Da scheint es umso verwunderlicher, dass die aktuellen Bilder aus dem Vinschgau täglich Sonne, Trockenheit und Schneefreiheit bis auf 2.000 m Höhe zeigen.
Ob man dort einfach die alten Bilder aus dem letzten Sommer verwendet?

Um den vermuteten Schwindel aufzudecken, entschließen sich Dave und ich überaus spontan, nach Latsch zu fahren.

Schloss Annenberg

Auf der Hinfahrt kommen erste Zweifel auf, ob es denn wirklich Sinn macht, zu dieser Jahreszeit nach Südtirol zu fahren – mit den Rädern im Gepäck. Dieser Eindruck verstärkt sich nur noch weiter, während wir zahlreiche Wintersportgebiete passieren.
Da wir am späten Abend am Ziel ankommen, können wir immerhin feststellen, dass es im Tal tatsächlich komplett schneefrei zu sein scheint. Der Blick aus dem Fenster am nächsten Morgen bringt Klarheit – die Webcams hatten uns nicht zu viel versprochen und der Vinschgau präsentiert sich mit wolkenlosem Himmel.

Also rauf aufs Rad und hin zu den oft gepriesenen Klassikern à la Propain-Trail, Holy-Hanson und Sonnenberg-Trail.
Bergauf zeigt sich an der nicht vorhandenen Fitness dann der erste wesentliche Unterschied zu unseren Sommertouren.
Die Abfahrten hingegen präsentieren sich in bestem, staubtrockenem Zustand und sind bis auf wenige Ausnahmen komplett frei befahrbar.

Der gelungene erste Tag wird schließlich durch die (einzig offene) Pizzeria im Ort abgerundet.

Schnell stellt sich die Frage, wie hoch hinaus wir wohl mit den Rädern kommen würden. Die Gipfel wirken aus der Ferne jedenfalls nur leicht gezuckert.

Getreu dem Motto „Versuch macht kluch“ starten wir in den nächsten Tag. Noch unterhalb der Baumgrenze stehen wir schnell mit den Füßen im Schnee – doch der Grat da oben wirkt gut passierbar.
Nachdem die Schuhe schon bald durchgeweicht sind, hat sich die Frage nach der Umkehr erübrigt – jetzt wo wir schon mal so weit oben sind.

Oberhalb von 2.500 m werden wir dann von knietiefem Schnee erwartet, der den Aufstieg ziemlich mühsam gestaltet. Hier treffen wir auch den ersten und einzigen Wanderer überhaupt:
Er zeigt sich jedoch wenig verwundert über unsere Räder auf den Schultern – schließlich schleppe er ja auch eine Last in Form von Wein auf den Berg.

Die atemberaubende Aussicht während der Gipfelrast führt zu freudigen Purzelbäumen auf der Abfahrt. Der Abstieg von fast 3.000 m gestaltet sich anfangs ähnlich mühsam wie der Aufstieg, da nur wenige Passagen im Gipfelbereich durch den tiefen Schnee fahrbar sind. Immerhin lassen sich unsere vorher gelegten Spuren erneut nutzen.

Die umliegenden Berge präsentieren sich in feinstem Abendlicht, welches für eine spannende Stimmung sorgt. Besonders die Dolomiten leuchten uns auffallend schön an.

Spannend auch, da uns das Restlicht langsam verlässt und wir uns immer noch 1.500 m oberhalb des Tals befinden. Dave ist jedoch auf alles vorbereitet und packt die Lampen aus dem Rucksack.

Unterhalb der Baumgrenze folgt eine feinste Flow-Abfahrt durch die Nacht, welche auch die letzten Kraftreserven verpulvert. Die vorzügliche Pizza und die hübsche Bedienung lassen uns nicht lange überlegen, wo wir den perfekten Tag ausklingen lassen.