Ein Tag im Sand

Ein Tag im Sand

Eine 500 Meter hohe Düne

Das Hochgebirge haben wir verlassen und sind den San Francisco Pass komplett abgefahren. Wir machen einen Abstecher nach Copiápo, um unser Proviant aufzustocken und den Bus vollzutanken. Der Plan, in der Stadt zu bleiben, scheitert direkt: Der einzige Campingplatz hat zu. Also raus in die Wüste, zu unserem nächsten Projekt. Die Tanke macht es dem Campingplatz gleich. Ein Zeichen für uns, dass wir hier fertig sind. Wir haben genug Reserven.

Unser endgültiges Ziel, eine etwa 500 Meter hohe Düne, werden wir bei Nacht nicht finden, also suchen wir uns nahe der Koordinaten einen Stellplatz und drücken beide Augen zu. Unsere Düne zeigt sich am nächsten Morgen ein paar Kilometer weiter ins Nichts hinein. Zu weit zum kurbeln. Mit dem Auto durch die Pampa zu riskant: grobes Material, weicher Boden, nicht einsehbare Bachläufe. Wir umfahren das Gelände auf der Suche nach einer geeigneten Autospur. Gute 30 Kilometer später finden wir einen Abzweig, der in die richtige Richtung zu gehen scheint. Die Autospuren teilen sich immer wieder auf und werden immer weniger prägnant und fest. Die Hauptwege scheinen zu Strommasten, Umspannstationen und Solarkraftwerken zu führen – gut, wir sind halt in der Wüste! Anderenfalls wäre diese Gegend wohl kaum erschlossen. Fest steht: Zu unserem Ziel führt kein richtiger Weg. Wir arbeiten uns eine sandige Piste entlang, die wohl hin und wieder von Locals aus Copiápo genutzt wird. Auf den umliegenden Hängen der Hügel sind immer wieder Jeepspuren zu sehen. Wir sind erstaunt, wie gut wir im Sand vorwärtskommen. Sicher ist sicher: Zum Halten suchen wir uns immer wieder Stellen, die härteren Untergrund versprechen. Wir tanken auch nach: Nicht, dass wir in einer kritischen Situation liegen bleiben.

Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand

Um die Mittagszeit kommen wir nah genug an die Ausläufer der Düne, um überhaupt mal zu spüren, wie der Boden ist. Sollte das alles loser, weicher Sand sein, brauchen wir die Bikes gar nicht aufzubauen. Dem ist aber nicht so: Wenn man auf den Rücken der Dünen rumtrampelt, sieht man klare Abdrücke unserer Schuhe und wir brechen nicht ein. Das könnte funktionieren! Also weiter um die Düne herum fahren und eine richtige Ridge suchen. Wir suchen uns zwei Favoriten, von denen wir einen in der Abendsonne angehen möchten. Die komplette Düne abzufahren wird nicht möglich sein, aber an die 300 Höhenmeter sind drin. Jetzt brennt die Sonne noch zu sehr nieder, wir möchten etwas abwarten, bis angenehmere Bedingungen herrschen. Zurück in die Stadt und anstehende Erledigungen abhacken? Vorzelt aufspannen und abhängen? Die Düne weiter umfahren und die Neugierde stillen? Letzteres!

Mit den Schneeketten durch die Wüste

Unsere nahezu abgefahrenen Maxxis Reifen an der Transe arbeiten sich zuverlässig durch den immer weicher werdenden Untergrund und wir sind nun an der östlichen Seite der Düne. Unscheinbar wird der Weg steiler. Das Gelände links und rechts des Weges scheint fester, liegt aber zu hoch. Ohoh! Anhalten keine Alternative, Runterschalten, Vollgas: Wir schaffen noch weitere 200m durch den super weich gewordenen Sand und graben uns vorbildlich mit allen vier Rädern ein. Ganz klar: eine festgefahrene Situation. Wir brauchen garnicht lange zu probieren, uns freizufahren. Wir schnallen die Sandbleche und unsere Truper 2000 Schippe vom Dach. Es werden sehr trockene, harte und müßige vier Stunden in der prallen Wüstensonne werden. Wir arbeiten uns rückwärts immer eine Sandblechlänge aus dem Sand heraus: Hinterräder untergraben, Sandblech drunter, Sand unter das Blech, drüber fahren. Räder untergraben, Sandblech drunter, …Moment! Nach 50 Meter Strecke und einer Stunde „Blechen“: Schneeketten! Die könnten genug Grip in dem losen Sand haben. Wir lassen nichts unversucht und packen die Bleche unter die Vorderräder, während wir die Hinterräder nur noch freischaufeln. Es funktioniert und wir kommen wesentlich schneller vorwärts – genau genommen rückwärts. 200 Meter und zwei Stunden später kommen wir an eine Stelle, an der der Wegrand nur marginal höher liegt, als der Weg. Wenn wir dort rauf kommen, ist es sehr wahrscheinlich, dass wir durch die Pampa besser vorwärts kommen. So können wir zu der nicht-so-weichen-Straße wieder zurück kommen, wo wir wieder vernünftig fahren können. Weiter geht’s! Wir graben uns den Übergang eben und arbeiten uns mit Schneeketten, Sandblechen und zusätzlichen flachen Felsen bei UV9 in den festen Offroad Bereich. Es klappt! Die Transe steht ohne Bleche auf dem Boden und versinkt nicht! Wir schmeißen all unser Gerümpel und Werkzeug lose in den Bus und machen uns vom Acker – wortwörtlich, zurück zu unseren favorisierten Ridges. Was für eine Nachmittagsbeschäftigung! Allrad wäre in der Situation sicherlich von Nutzen gewesen, und hätte diese vielleicht sogar abgewendet, aber naja. Wir sind hier nicht bei der Rally Dakar.

Ein Tag im Sand

Dune-surfing

Der Kaffee und die Brotzeit tun ihr übriges und wir berappeln uns nach der Schaufelaktion. Wir haben überall Sand! Als das Werkzeug und die Bleche sicher verstaut sind, ist es auch an der Zeit, mit den Bikes auf den großen Sandhaufen vor uns zu laufen. Die Schatten werden länger. Unsere Ridge wirft auch einen und wir stiefeln in ihm bis zum Beginn der Ridge. Völlig fehl am Platz erscheinen die vielen kleinen Büsche, die sich aus dem Sand kämpfen. Der Großteil ist ausgetrocknet und es fliegen nur noch die Samen umher, doch hier und da grünt es uns entgegen. Wir schlagen einen Zickzackweg um die Vegetation ein, bis wir die Kante der Ridge erreichen. Der Wind hat die Sandoberfläche verfestigt und zu einem feinen Wellenmuster geformt. Die Sandkante zwischen der Sandzu- und abgewandten Seite der Ridge bricht messerscharf ab. Die Natur stellt ihr künstlerisches Talent hier mal wieder im vollen Maße unter Beweis!

Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand

Die Sonne steht nun genau richtig. Wir besprechen schnell noch die Line, denn wir haben nur einen Versuch und: Abfahrt! Die Strapazen der uns am Nachmittag auferlegten Aufgabe sind vergessen. Auf den steilen Hängen müssen wir gut Obacht geben, uns nicht einzugraben. Die Falllinie wollen wir nicht nehmen und steuern den Kamm an. Kaum sind wir darauf, beschleunigt das Bike, als ob man in die Halfpipe gedropt sei: Der Untergrund ist vom Wind so verfestigt, dass wir darüber hinweg fegen. Wir drosseln das Tempo durch gegenlenken und wirbeln meterlange Staubfahnen auf. Die Abendsonne gibt den kleinen Sandstürmen unter unseren Reifen einen gelbroten Touch und wir kommen unserem Bus leider viel zu schnell entgegen. Wir grinsen.

Beim restlichen Licht spoten wir die zweite Ridge zu Fuß und entscheiden uns für einen zweiten Versuch am nächsten Morgen. Die Line scheint länger zu sein und es hat gerade eben überraschend viel Spaß gemacht! Hundemüde aber beglückt gibt’s Abendbrot. Die Bikes können aufgebaut bleiben.

Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand

Sand zum Frühstück

Wir quälen uns im Dunkeln von den Schlafsäcken in die Bike Klamotten. In der Dämmerung arbeiten wir uns wieder durch teils festen, teils losen Sand unserer zweiten Ridge entgegen. Die Luft ist angenehm frisch, das erleichtert den Aufstieg – wir sind schnell Oben. Die Sonne klettert zeitgleich mit unserer Ankunft über den gegenüberliegenden Berg. Fast der Sonne entgegen wiederholen wir das Procedere vom Vorabend: Schwung im Sand holen, oben aufschwimmen und dann das richtige Tempo halten. Unser zweiter Favorit funktioniert sogar noch besser, als die Ridge vom Vortag. Unten wartet der Kaffee und das Frühstück. Wir surfen den Auslauf ab und nehmen alles Tempo mit, was das Ende der Düne hergibt. Es schanzt uns immer wieder auf kleinen Sandhügeln hoch und schon sind wir fertig mit dem morgendlichen Sportprogram. Guten Morgen!

Ein Tag im Sand
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Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand

Bevor wir aber den Weg in Richtung Meer einschlagen, heißt es nochmal kurz: Nervenkitzel. Beim Weg raus aus der Wüste, haben wir uns für einen optisch besseren und offensichtlich mehr befahrenen Weg entschieden. Dieser endet auf jeden Fall an einer der Strommasten-Straßen, die befestigt ist. Unser Weg der Wahl wir aber immer sandiger und die Drehzahl sinkt – kurzes Déjà-vu zu gestern Mittag. Also direkt ab in die Pampa und Vollgas auf den befestigten Weg. Es klappt, der Untergrund ist aber nicht so fest, wie erwartet. Zusätzlich geht’s leicht bergauf. Hoffentlich ist vor dem Weg kein Wassergraben! Die Schneeketten sind noch drauf und machen gute Arbeit. Mit Lenken ist nicht mehr viel. Wir schießen auf die Straße zu. Kein Graben. Yeah! Wir atmen auf, als wir mit ordentlich Schwung aus dem Acker auf die Straße schießen – diesmal haben wir Glück gehabt.

Wir machen noch einen Boxenstopp in Copiápo, ein Ölwechsel für den Bus ist fällig. Das ist schnell erledigt, noch ein Snack auf die Hand und wir sind pünktlich zum Sonnenuntergang am Pazifik: Füße im Sand, Bier in der Hand – salut!

Ein Tag im Sand
Ein Tag im Sand

Powderalarm

Powderalarm

Der Höchste des Roadtrips

Auf zum Endgegner des Roadtrips, obwohl letzterer noch lange nicht zu Ende ist. Aber der Ojos del Salado ist mit 6893 Metern der höchste geplante Gipfel unseres Abenteuers. Unweit der Laguna Verde führt ein Feldweg rund 25 Kilometer bis auf 5200 Meter zum Basecamp des Ojos del Salado. Basecamp bedeutet in diesem Fall ein kleines Blechrefugio und ein paar Zelte, falls noch andere Bergsteiger zugegen sind.
Unser Plan: Mit dem Auto bis zum Basecamp fahren – unser mobiles Basecamp eben. Mit Zelt und Proviant bis auf etwa 5900 Meter aufsteigen, das Material deponieren und anschließend Abfahren. Ein Ruhetag im Basecamp, tags darauf der Aufstieg mit Schlafsäcken, Isomatten und weiterem Proviant. Camp 1 auf 5900 Metern aufbauen, dort nächtigen. Gegen vier Uhr nachts zum Gipfel aufbrechen, hoffentlich bis zum Gipfel aufsteigen. Schließlich abfahren, Camp 1 abbauen und mit sämtlichem Material ins Basecamp abfahren.

Klingt sportlich, ist es auch – der Erfolg hängt von vielen Unsicherheitsfaktoren ab:

  • Der Ojos del Salado ist ein Grenzberg, wir brauchen einen Permit vom DIFROL
  • Wie ist die Schneelage am Berg? Zu viel Schnee bedeutet, dass wir das falsche Sportgerät haben
  • Wie weit werden wir mit dem Auto kommen? Sollte weit vor dem Basecamp Schluss sein, wird alles schwieriger und langweiliger
  • Der Wetterbericht von vor drei Tagen hat für die ganze Woche 50 bis 70km/h Wind für den Gipfel gemeldet

Powderalarm

Den Permit haben wir nicht. Der DIFROL ist einfach zu lahm, um das Ding innert einer Woche zu versenden. Obwohl da nur draufsteht, wer wann auf welchen Berg steigt. Leider haben wir seit drei Tagen nicht mal ein Telefonnetz geschweige denn eine Internetverbindung – vielleicht wäre der Permit inzwischen da. Sollten wir ihn brauchen, könnten wir auch einfach nach Copiápo fahren und dort die Mails abrufen. Das wären nur rund 550 Kilometer und 4000 Höhenmeter hin und zurück – davor ist nix mit Netz.

Die Schneelage verspricht wenig Gutes, denn alle Berge rings herum sind ab etwa 6000 Meter weiß. Aber der Aufstiegshang am Ojos del Salado ist eher steil und es ist ein Nordhang – könnte also von der kräftigen Sonne frei gebrutzelt sein (Südhalbkugel Nordhang = Nordhalbkugel Südhang).

Und die Zufahrt? Die startet gleich positiv: ein Refugio, das als Kontrollstation für den Permit dient, ist wie ausgestorben. Kein Mensch weit und breit – wir sind in der Offseason. Also erteilen wir uns selbst einen Permit und fahren einfach weiter. Der Feldweg schlängelt sich durch ein riesiges Flussbett – sicher 200 Meter breit und komplett ausgetrocknet. Läuft doch ganz gut. Die erste Hürde tut sich nach rund acht Kilometern auf: Der Weg wird so sandig und weich, dass wir um ein Haar stecken bleiben. Glück gehabt!
Aus dem Flussbett geht’s um einen Hügel und zack, vor uns liegt ein bombastisches 6000er Panorama. Der Ojos del Salado wird zum ersten Mal richtig sichtbar und damit auch die Schneelage: fast komplett weiß, bis auf einen Bergrücken. Mist! Wir fahren trotzdem weiter. Aus der Nähe lässt sich sicher der Verlauf des Aufstieges erkennen. Vielleicht haben wir Glück und dieser verläuft über den Rücken. Die Zufahrt über den Feldweg hat ein paar Herausforderungen wie große Felsblöcke sowie tiefe Löcher und Gräben – aber alles lässt sich geschickt umzirkeln oder schräg durchfahren, so dass nur die Glasabdeckung einer Nebelleuchte dran glauben muss. Doch plötzlich, sechs Kilometer vor dem Basecamp tut sich ein gähnender Abgrund auf: Der Weg wurde durch einen Regenfall oder Schmelzwasser vergangener Zeiten weggespült. Eine weiträumige Umfahrung unten rum hat sich gebildet – diese ist allerdings sehr weich und steil. Wir würden zwar rüber kommen, aber zurück – das ist ungewiss. 50/50 schätzen wir die Chance ein. Falls es nicht klappen würde, wären wir davon abhängig, dass ein Geländewagen mit anderen Bergsteigern vorbei kommt und uns raus ziehen könnte. Für die Sandbleche ist das Gelände zu steil.

Auf 5100 Meter rund 140 Kilometer vom nächsten permanenten Menschenaufenthaltsort (die Grenzkontrolle) entfernt darauf zu hoffen, dass uns notfalls jemand raus zieht – kann man machen, ist uns aber zu heiß. Aus der Nähe ist jetzt auch der Trailverlauf ersichtlich. Die Ski wären fast die bessere Wahl. Powderalarm?

Powderalarm
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Im Zwiespalt

Alle Faktoren sprechen gegen das Projekt. Im Schnee lässt es sich zwar oft ganz gut biken – aber nur, wenn eine feste Spur eingelaufen ist und der Schnee nicht durch Wärme und Sonne aufgeweicht und nass ist. Offseason – da ist eine gute Spur unwahrscheinlich. Nordhang – da knallt die Sonne schön rein und weicht den Schnee auf. Wir sind im Zwiespalt: Einerseits wollen wir das Projekt nicht aufgeben, da es einfach eine irrsinnige Herausforderung wäre, es zu schaffen. Andererseits liegt die Chance, dass wir unter diesen Umständen tatsächlich fast alles vom Gipfel abfahren können, bei bestenfalls 10%.
Die Vernunft siegt – wir streichen das Projekt. Unsere Zeit ist leider begrenzt, die investieren wir lieber in Projekte mit höheren Erfolgschancen. Diese Entscheidung haben wir übrigens schon ein paar Tage zuvor getroffen: Alles, was zu viel Schnee hat, zu unsicher ist und eventuell weglose Abschnitte hat, fliegt aus der Liste. Denn eines zeigt unsere Erfahrung in Südamerika bis jetzt: Vorhandene, funktionierende Trails auf hohen Bergen sind Mangelware!
Es hilft nix. Zum Trost und als Erinnerungsfoto shapen wir kurz einen kleinen „Vor-dem-Ojos-Kicker“. Dann cruisen wir den Feldweg wieder raus – einer der vielleicht beeindruckendsten der Welt.

Powderalarm
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Powderalarm
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280 Kilometer durchs Niemandsland

Schweren Herzens verlassen wir die Bilderbuchlandschaft in Richtung Copiápo. Kurioserweise ist die Straße plötzlich wieder geteert. Sie schlängelt sich zwischen den Gipfeln herab einem duzende Kilometer großen Salzsee entgegen. Saftig grüne Täler winden sich dem ausgetrockneten See entgegen – als hätte jemand einen Eimer Farbe runter geschüttet. Das wenige Wasser aus den Bächen reicht nicht, um den See zu füllen.
Mitten im Niemandsland taucht die chilenische Grenzstation auf. Die Dimensionen sind gewaltig. Offensichtlich hat man hier mit mehr als der optimistisch gezählten etwa 20 Autos am Tag gerechnet. Es wird der unfreundlichste Grenzübergang unseres Trips. Reden ist nicht so das Ding bei den Beamten dieser Grenzstation.

Powderalarm
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Möglicherweise war der Teer alle – jedenfalls folgt jetzt eine schmale, relativ miese Dirtroad. Es geht noch einmal steil hinauf auf einen Pass mit über 4500 Metern Höhe. So langsam wird uns klar, warum es über den San Francisco Pass so wenig Verkehr gibt. Abgesehen davon, dass man gute 500 Kilometer durchs Niemandsland fährt, ist die Rückseite des Passes noch radikaler: die Straße schlängelt sich durch einen Canyon, ist teils weggebrochen und immer wieder nur einspurig. Große LKWs haben hier kaum eine Chance. Je näher wir Copiápo kommen, desto breiter wird das Tal; bis es zum mehrere 100 Meter breiten, ausgetrockneten Fluss wird. Die Dirtroad führt schnurstracks gerade hindurch. Kurios, eine Straße in ein scheinbar gelegentlich wasserführendes Flussbett zu bauen. Unsere Vermutung bestätigt sich auch rasch: Immer wieder gibt es Abschnitte, an denen Teile der Böschung einem größeren Regenfall zum Opfer gefallen sind. Baustellen, an denen die Dirtroad komplett neu gemacht wird, häufen sich. Dennoch kommen wir gut vorwärts und nähern uns gegen Abend der Stadt Copiápo. Endlich gibt es Internet und siehe da: unser Permit vom DIFROL ist per Mail angekommen! Allerdings für einen Franzosen und drei US-Amerikaner. Mails sortieren ist wohl nicht so das Ding vom DIFROL.

Powderalarm

Von der Wüste ins Hochgebirge

Von der Wüste ins Hochgebirge

Formen und Strukturen in weiß

Die ersten Sonnenstrahlen des Tages fallen flach über den Berg und tauchen die weißen Dünen um uns herum in stimmungsvolles Licht. Ein Wechselspiel aus Licht und Schatten, Rundungen und scharfen Kanten, Leben und Tod – mitten in der Sandwüste. Kaum zu glauben, dass sich selbst hier das Leben tummelt, aber erst bei genauem Hinsehen. Am frühen Morgen umgibt uns Vogelgezwitscher aus allen Ecken. In einem Busch entdecken wir sogar ein Nest – gebaut aus Dornenzweigen, aber in Höhlenform, sozusagen mit Dach. Falls es mal regnet vielleicht. Kleine Eidechsen huschen über die Dünen und vereinzelt sprießen Blümchen. Daneben vertrocknete Büsche, zu lange ohne Regen oder von den Dünen in Zeitlupe überrollt. Die Windrichtung ist hier eindeutig und treibt die Dünen über die Jahre langsam durch die Landschaft. Auch vor der Dirtroad machen sie nicht Halt – hier und da gibt es Engpässe.

Für uns gibt es ein gemütliches Frühstück in dieser überwältigenden Szenerie. Bike auspacken lohnt sich hier nicht, dafür sind die Dünen leider zu klein.

Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge

Hochgebirge und Einsatz für die Feuerwehr

Ab in die Berge! Auf dem Reiseplan steht der Passo San Francisco, 4726 Meter hoch. Hier warten ein paar richtig hohe Bergprojekte auf uns. In der Kleinstadt Fiambalá decken wir uns mit Lebensmitteln und Sprit ein. Gute 200 Kilometer sind es von hier bis zum Pass – dazwischen nur eine Zollstation und, wie wir später feststellen werden, eine „Tankstelle“, bei der der Tankwart den Sprit aus einem Fass durch einen dünnen Schlauch mit dem Mund ansaugt und in Zehnliterkannen in den Tank füllt!

Die Straße führt durch scheinbar alle erdenklichen Arten von Gesteinsschichten und Formationen – teils so rot, dass unser Feuerwehrauto in Tarnfarbe unterwegs ist. Je höher wir kommen, desto offener wird die Landschaft. Die Straße verläuft wie ein gerader Strich durch sanfte Hochtäler aller erdenklichen Rot- und Brauntöne. Trotz Wüste existiert hier knalliges, gelbgrünes Gras als Kontrast zum Gestein. Gelegentlich zeigt sich ein kleiner Bach, an dessen Ufern ein schmaler Streifen aus üppigem Grün gedeiht. Heerschaaren von Vicuñas fressen sich hier satt.

Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge
Von der Wüste ins Hochgebirge

Die Grenze: Der wachhabende Polizist muss erst in die Wohncontainer, die Zöllner aus dem Nachmittags-Nickerchen wecken. Dann geht alles schnell – unser schnellster Grenzübertritt von Argentinien nach Chile. Kurz tanken an besagter Tankstelle und ab geht es in die letzten Serpentinen zum Pass hoch. Ganze vier Autos sind uns auf diesen 200 Kilometern entgegen gekommen. Das Letzte ist ein deutscher Camper, der uns in einer Serpentine passiert. Man hält kurz an, er schätzt die Lage richtig ein und meint: „Beeilt euch, da oben am Pass brennt’s!“ Er wird ansatzweise Recht behalten.

Vom Pass aus führt ein Feldweg in die Hänge zum Nevado San Francisco, ein potenzielles Bikeprojekt mit 6016 Metern Höhe. Leider verspricht die Schneelage nix Gutes: Etwa 200 Höhenmeter unter dem Gipfel wird das Gelände sehr flach – ab dort ist die Schneedecke komplett geschlossen. Wir entschließen uns, einen Versuch mit dem Auto am Feldweg zu starten. Wie weit wird dieser für uns befahrbar sein?

Etwa 100 Höhenmeter, dann wird das Gestein zu grob. Akute Aufsetzgefahr für unseren Ford Transit. Gerade, als wir umkehren, entdecken wir einen grünen Geländewagen, der uns vom Pass aus folgt. Plötzlich bleibt er stehen, fünf Männer steigen aus und schauen unter’s Auto. Wir fahren runter und werden gleich angehalten: es ist die Polizei und der Zoll. Passkontrolle, dann die Frage, ob wir sie abschleppen können! Die Kardanwelle (Antrieb für die Hinterräder) bei ihrem in die Jahre gekommenen Defender ist gebrochen und bleibt an der Karosserie hängen. Klar können wir sie abschleppen, aber wir haben auch das passende Werkzeug: zwei 15er Schraubenschlüssel. Die Jungs sind sehr dankbar und wir dürfen sogar ein Foto machen: Die Trailhunter Feuerwehr rettet den Argentinischen Zoll auf 4800 Metern Höhe. Kurios könnte man sagen! Nach etwa 15 Minuten ist das defekte Teil demontiert und der Zoll kann mit Zweirad- anstatt Allradantrieb weiter fahren.

Von der Wüste ins Hochgebirge

Wir schlagen den Weg zum Refugio Laguna Verde ein – gelegen an dem wunderschönen Salzsee Laguna Verde etwa 25 Kilometer hinter dem Pass. Der Wind kachelt hier richtig durch und lässt kleine Schaumkronen über den See tanzen. Dahinter leuchten Vulkane mit weißen Hauben im letzten Abendlicht. Eine traumhafte Szenerie, aber wild und rau.

Das Refugio liegt auf 4300 Meter und ist eigentlich nur ein Schuppen aus Blech und Holz, der kurz vor dem Verfall steht. Drumherum gibt es ein paar Möglichkeiten, Zelte aufzustellen – diese sind auch genutzt. Der Platz dient als Akklimatisierungscamp für Bergsteiger, die sich an den umliegenden 6000ern austoben möchten. Das Beste: Direkt am Camp gibt es Thermalquellen mit geschätzt 35°C Wassertemperatur. Sieht verlockend aus, wenn da nicht die Openairtoiletten des Camps direkt oberhalb der Thermalbecken liegen würden – klarer Fall von schlecht gedacht, schlecht gemacht!

Für uns gibt es jetzt deftiges Abendessen, denn die geplante Tour für den nächsten Tag kratzt schon fast an der 6000er Marke.

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